Essen. . Konservativ gesinnte Mitglieder der CDU haben in Essen einen Regionalverband der „Werteunion“ gegründet. Mit dabei: ein Ex-Sozialdemokrat.
Spätestens seit seinem Parteiübertritt dürfte Frank Mußhoff vielen Essenern als Bezirksbürgermeister im Stadtbezirk 1 bekannt sein. Zwölf Jahre war Mußhoff Mitglied der SPD. Im Februar trat er aus der Partei aus und unterschrieb noch am selben Tag einen Antrag für die Aufnahme in der CDU. So etwas gibt es auch nicht alle Tage. Von Beruf ist Mußhoff selbstständiger IT-Unternehmer, spezialisiert auf Anwendungen im Bestattungswesen. An diesem Dienstagabend gilt es für den ehrenamtlichen Kommunalpolitiker etwas aus der Taufe zu heben: den Regionalverband Essen der Werteunion NRW.
Als ehemaliger Sozialdemokrat ist Frank Mußhoff ein Exot unter jenen, die zur Gründungsversammlung in der Gaststätte „Am Kreuz“ in Stoppenberg zusammengekommen sind. Sonja Wilkending, Vorsitzende des CDU-Ortsverbandes Frillendorf und seit 2004 Mitglied im Rat der Stadt, ist das bekannteste Gesicht. Auch die übrigen Gründungsmitglieder sind in der CDU aktiv, mal mehr mal weniger. Sie alle vereint eines: die Enttäuschung über den Kurs, den ihre Partei unter Angela Merkel eingeschlagen hat: zu weit links, zu beliebig, höchste Zeit, eine Korrektur vorzunehmen, lautet der Tenor. Die Landes- und stellvertretende Bundesvorsitzende der Werteunion, Simone Baum, formuliert es an diesem Abend so: „Die Zukunft der CDU wird konservativer sein oder gar nicht.“
So sehen es immer mehr in CDU und CSU, glaubt man Simone Baum. Und immer mehr trauten sich, es offen auszusprechen. Rund 2300 Mitglieder zählt die Werte-Union nach eigenen Angaben bundesweit, 567 seien es in NRW. Tendenz steigend. Das erscheint verschwindend gering angesichts von 415.000 CDU-Mitgliedern. Doch die Werteunion verspürt Aufwind nicht zuletzt durch prominente Namen wie Hans-Georg Maaßen, den ehemaligen Präsidenten des Verfassungsschutzes. Nun also auch in Essen.
Merkels Flüchtlingspolitik überlagert andere Themen
Maaßens ablehnende Haltung gegenüber der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Merkel teilen sie unisono im Hinterzimmer „Am Kreuz“. Es gäbe andere Themen, die sie kritisch sehen innerhalb der Werteunion und über die man reden könnte an diesem Abend, die Energiewende zum Beispiel. Doch Merkels Entscheidung von 2015, die Grenzen zu öffnen, scheint alles andere zu überlagern. Manuel Ostermann, Bundespolizist, Polizeigewerkschafter, ist für diesen Abend aus seinem CDU-Ortsverband Warendorf angereist, und berichtet über seine Erfahrungen. In Essen gebe es Stadtviertel, in denen er seiner Frau nicht empfehlen würde, bei Dunkelheit auf die Straße zu gehen. In anderen gelte „eine eigene Straßenverkehrsordnung“.
So geht es weiter. Von Patriotismus ist die Rede und immer wieder von Werten, von Respekt und von Toleranz. Und davon, ausgegrenzt zu werden – auch und vor allem in der eigenen Partei.
Boris Palmer, Sarah Wagenknecht und Thilo Sarrazin dienen als Kronzeugen
Bei jenen in der Union, die Merkel nahe stehen und die Politik der Kanzlerin stützen, ist die Werteunion nicht wohl gelitten. Der betont konservative Kurs ist manchen suspekt, weil vermeintlich zu weit rechts außen. Es geht um die Meinungsführerschaft und die Ausrichtung der Partei und irgendwann auch um Posten.
Wer nicht mit dem Mainstream schwimme, werde niedergeschrien, lautet die Replik. So ergehe es auch Querdenkern in anderen Parteien. Boris Palmer von den Grünen, Sarah Wagenknecht von den Linken, und Thilo Sarrazin von der SPD dienen als Kronzeugen. Einer in der Runde spricht von „Meinungs-Gleichschaltung“. Man vergewissert einander selbst: „Ausgrenzung schafft Wachstum“.
Das erinnert an inzwischen vertraute Muster. Frank Mußhoff, den die Versammlung einstimmig zum Sprecher des neuen Regionalverbandes wählt, sagt im Gespräch mit der Redaktion dazu: Ja, die Werteunion benutze „ähnliche Begriffe“ wie die AfD. Auch die „Grundlagen sind hier und da ähnlich“. Und doch will Mußhoff die Werteunion klar abgrenzen von „dem blauen Verein“. In der AfD gebe es „diesen Sumpf dahinter“, sagt Mußhoff und meint rechtsextreme Strömungen in der Partei. „So lange die AfD sich davon nicht lösen kann...“