Essen. . Die Protestbewegung in der Katholischen Kirche wächst. In mehreren Gemeinden traten am Wochenende Mitglieder in einen Kirchenstreik.

Der Aufruhr an der Basis der Katholischen Kirche wächst: In Essen haben sich Mitglieder in mehreren Gemeinden dem Kirchenstreik der Bewegung Maria 2.0 angeschlossen bzw. solidarisieren sich mit dem Protest. Während der Zeit betreten sie keine Kirchen, üben ihre ehrenamtlichen Ämter nicht aus und feiern Gottesdienste ohne Priester bewusst im Freien.

So hielten am Sonntag rund 60 Mitglieder der Herz-Jesu-Gemeinde in Burgaltendorf unter dem Motto „Nicht mit uns“ einen Gottesdienst vor der Kirche ab. Auch in den Nachbargemeinden in Byfang und Heisingen gab es ähnliche Aktionen. In Bergerhausen kamen am Sonntag auf Einladung der Kfd St. Hubertus und Raphael rund 200 Katholiken vor der Kirche St. Hubertus zusammen, um mit einem „ausgelagerten“ Gottesdienst ebenfalls gegen den Umgang der Katholischen Kirche mit den Missbrauchsfällen zu protestieren und gleichzeitig auch mehr Frauenrechte zu fordern.

60 Gemeindemitglieder in Burgaltendorf protestieren

Monika Heuer hätte am Sonntag in der Herz-Jesu-Kirche in Burgaltendorf den Begrüßungsdienst zur Messe gehabt. Doch statt den Messebesuchern wie gewohnt die Gesangbücher am Eingang zu reichen, stand sie diesmal vor der Kirche. Aus Protest. „Ich will damit ein deutliches Zeichen setzen“, sagt sie. Die gesamte Woche wird sie wie viele andere Gemeindemitglieder die Kirche nicht betreten und ihr Ehrenamt ruhen lassen; keine Fürbitten, keine Lesungen etc. Man soll spüren, wie wichtig die ehrenamtliche Arbeit vor allem der Frauen hier ist. Auch Roswitha Kemmler war für den Begrüßungsdienst eingeteilt, blieb der Kirche aber ebenfalls fern. „Ich habe lange überlegt, ob ich mich dem Streik anschließen soll. Schließlich will ich ja nicht die Kirche als solche boykottieren. Aber es liegt doch vieles im Argen“, sagt sie auch mit Blick auf die Fälle sexuellen Missbrauchs in der Katholischen Kirche und deren Vertuschung.

Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) demonstrierte am Sonntag  gegen die „Verdunklung in der Kirche“ mit einen Open-Air-Gottesdienst vor der St. Hubertus-Kirche in Bergerhausen.
Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) demonstrierte am Sonntag gegen die „Verdunklung in der Kirche“ mit einen Open-Air-Gottesdienst vor der St. Hubertus-Kirche in Bergerhausen. © Socrates Tassos

Wie Monika Heuer und Roswitha Kemmler versammelten sich am Sonntag in Burgaltendorf rund 60 Gemeindemitglieder vor der Herz-Jesu-Kirche und feierten ihren Gottesdienst bewusst im Freien mit Gebet und Gesang, während drinnen parallel die Heilige Messe lief. Weiße Bettlaken hatten sie aneinandergeknotet und vor das Gotteshaus gespannt. Viele Mitglieder trugen auch weiße Kleidung.

Mitglieder fordern aufrichtige Demut und Reue von den Kirchenoberen

Die Farbe Weiß taucht dieser Tage allerorten vor den Kirchen auf und steht für Solidarität, Mut, Unschuld und Erneuerung, wie Katrin Nauber-Happel sagt. Sie ist eines der Gemeindemitglieder, die die Bewegung „Nicht mit uns“ in Burgaltendorf losgetreten haben. Vor zwei Wochen hatten die Burgaltendorfer ihren Protestbrief – gerichtet an die Bischofskonferenz – veröffentlicht und wie die Münsteraner Bewegung Maria 2.0 zum einwöchigen Kirchenstreik vom 11. bis 19. Mai aufgerufen. In ihrem Brief fordern sie bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle „fühlbare Zeichen glaubwürdiger Reue und Demut“. „Beugen Sie sich!“, rufen sie den Kirchenoberen zu. Auch die Frauenrechte in der Katholischen Kirche thematisieren sie darin und wehren sich dagegen, nur mit einer Öffnung des Diakonats abgespeist zu werden.

Bereits 400 Gemeindemitglieder hätten den Brief unterschrieben. Am Sonntag kamen weitere Unterschriften dazu. Denn das tiefe Misstrauen, ob die Katholische Kirche wirklich gewillt und im Stande ist, die Missbrauchstaten aufzuklären und aufzuarbeiten, setzt immer mehr Wut und Gegenwehr an der Basis frei. Dass Papst Franziskus vor wenigen Tagen eine innerkirchliche Meldepflicht verordnet hat, reicht vielen nicht. Im Gegenteil. Dies hat viele in ihrem Protest offensichtlich noch bestärkt. „Das ist doch eine Farce“, meint Katrin Nauber-Happel. Die Täter müssten strafrechtlich verfolgt werden. „Doch so hat man das Gefühl, dass die Kirche das selbst regeln will“, sagt sie und fügt hinzu: „Die haben nicht verstanden.“

Open-Air-Gottesdienst auch in Huttrop

Dass es an der Kirchenbasis immer stärker rumort, spüren sie dieser Tage auch in Burgaltendorf. Als sie ihre Initiative „Nicht mit uns“ ins Leben riefen, „ging es erst sehr zäh los. Wir waren enttäuscht“, sagt Michael Meurer vom Herz-Jesu-Gemeinderat. Doch nach Gesprächen mit den Nachbargemeinden St. Georg in Heisingen, St. Barbara in Byfang und St. Suitbert haben sich diese nun solidarisiert. Und so lagen am Sonntag auch dort die Unterschriftenlisten aus, in Byfang wurde der Gottesdienst ebenfalls unter freiem Himmel abgehalten. St. Suitbert in Überruhr folgt nächsten Sonntag. „Das ganze nimmt jetzt Fahrt auf“, glaubt Michael Meurer.

Unabhängig von der Burgaltendorfer Initiative kamen am Sonntag auch in Bergerhausen rund 200 Gläubige vor der Kirche St. Hubertus zusammen, um sich der Maria-2.0-Bewegung anzuschließen. Die Katholischen Frauen der Gemeinde St. Hubertus und Raphael hatten zum Kirchenstreik aufgerufen, der anders als in Münster oder Burgaltendorf allerdings nur einen Tag dauerte und nicht die ganze Woche. Der Zulauf war größer als erwartet: „Es waren nicht nur Mitglieder unserer Gemeinde da sondern auch viele Externe“, sagte Mitorganisatorin Anke Franzen am Ende zufrieden.

Protestbewegung überlegt noch, wie sie weiter macht

Doch wie geht es nach der Streikwoche weiter? Eine Frage, auf die die Basisbewegung offenbar noch keine rechte Antwort hat. Anke Franzen jedenfalls erwartet nicht, dass sich in der Kirche so schnell etwas verändern wird. „Da braucht man sicher Geduld.“ In Burgaltendorf kündigte man zumindest an, den Protest am „Köcheln zu halten“. Wie scheint noch nicht ganz klar. Vielleicht durch einen regelmäßigen Streik einmal im Monat?, wie es ein Mitglied am Sonntag vorschlug. Bislang steht nur fest, dass es demnächst einen Gottesdienst für die Missbrauchsopfer geben wird.

<<<Zwei Bewegungen – ein gemeinsames Ziel>>>

  • Parallel zur Burgaltendorfer Initiative entstand in Münster die Aktion Maria 2.0. Die Burgaltendorfer haben sich auch den Münsteranern angeschlossen, die sich mit einem Offenen Brief an Papst Franziskus gewandt haben.
  • Die Burgaltendorfer wollen ihren eigens verfassten Brief, für den sie Unterschriften sammeln, Ende Juni an Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck übergeben.