Essen. . Der 190 Meter hohe Schornstein des Müllheizkraftwerks in Essen-Karnap ist eine Landmarke – und das Kinderzimmer für drei kleine Wanderfalken.
Für die Mitarbeiter von RWE ist das Phänomen nicht neu, aber immer wieder berührend: Seit 1995 haben Wanderfalken Anlagen des Energiekonzerns als Brut- und Niststätte auserkoren. Jährlich nisten zwischen acht und 13 Falken-Paare auf Tagebau-Großgeräten und in Kraftwerken.
Aktuell wohnen drei etwa drei Wochen alte Jungtiere im Schornstein des Karnaper Müllheizkraftwerks. Sie wiegen jeweils gut 700 Gramm, verlieren bald ihren Flaum – und sind augenscheinlich topfit. Denn jetzt wurden die Jungtiere von Naturschützern beringt und untersucht: Gesund, kräftig und frei von Parasiten seien die jungen Falken.
Die Brutkiste der Küken liegt in einem kleinen Raum in der Betonschale des 190 Meter hohen Schornsteins und kann von den Eltern durch eine kleine Wandöffnung erreicht werden. „Die Vögel können dort oben in Ruhe brüten und ihre Jungen aufziehen. Da kommen praktisch nie Menschen hin“, berichtet Sebastian Daschek, Mitarbeiter in der Instandhaltungs-Elektro-Werkstatt bei RWE. Durch eine in der Brutkiste angebrachte Kamera können er und sein Team die Wanderfalken aus der E-Werkstatt heraus beobachten. Liebevoll kümmern sie sich um die Falken, die seit Jahren immer wieder dort nisten.
Statt Felsen werden heute Bagger zu Nistplätzen
Denn hohe Industrieanlagen bieten einen idealen Rückzugsraum für die Vögel, deren Zahl bis 1971 stark zurückgegangen war. Seit dem Verbot des Unkrautvernichters DDT und dem Ende der illegalen Jagd erholt sich der Bestand nun wieder. „Bevor der Wanderfalke in Nordrhein-Westfalen 1970 nahezu ausgestorben war, brütete er an Felsen und in Steinbrüchen. Nach der Wiederbesiedlung NRWs brüten nur weniger als zehn Prozent der Wanderfalken an ihren ursprünglichen Nistplätzen, der Rest brütet an menschlichen Bauwerken“, erklärt Gero Speer, Mitarbeiter in der Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz. „Einige Paare brüten in den Tagebauen sogar auf Baggern und Absetzern, die während der gesamten Brutzeit der Falken eine weite Strecke vor und zurück, nach links und rechts von insgesamt 40 bis 50 Kilometer zurücklegen.“
AUCH IM TAGEBAU GARZWEILER BRÜTEN FALKEN
In diesem Jahr brüten Falkenpaare auch in den Tagebauen Garzweiler und Hambach sowie in den Kraftwerken Niederaußem, Neurath, Frimmersdorf und Weißweiler. Im Kraftwerk Frimmersdorf haben Mitarbeiter eine Webcam angebracht, so dass die Jungfalken rund um die Uhr im Livestream beobachtet werden können.