Essen-Burgaltendorf. . Eine Initiative der Herz-Jesu-Gemeinde Burgaltendorf ruft zum Protest auf: Als Reaktion auf den Missbrauchsskandal boykottiert sie Gottesdienste.
An der katholischen Kirchenbasis in Essen rumort es: Aus Frust über den Missbrauchsskandal gehen Mitglieder der Burgaltendorfer Herz-Jesu-Gemeinde nun auf die Straße: Unter dem Hashtag „Nicht mit uns“ haben sie eine Initiative gegründet, die eine massive Erneuerung der katholischen Kirche fordert.
Aus Protest rufen sie alle Ehrenamtlichen in der Woche vom 11. bis 19. Mai zum Boykott auf: So besuchen die Gläubigen in dieser Zeit weder die Messen noch engagieren sie sich für die Kirche. Während der Sonntagsmesse am Muttertag, 12. Mai, sind Gesprächs- und Mitmachangebote rund um die Herz-Jesu-Kirche geplant.
Essener Caritas-Chef brachte Stein ins Rollen
Den Stein ins Rollen gebracht hatte der Essener Caritas-Direktor Björn Enno Hermans. Mit seiner Aussage, er würde aus der katholischen Kirche austreten, wenn sie eine Partei wäre, hatte er im vergangenen Jahr für viel Wirbel gesorgt. „Uns haben diese klaren Worte dazu ermutigt, selbst aktiv zu werden“, erklärt Katrin Nauber-Happel, die die Initiative gemeinsam mit weiteren Gläubigen auf den Weg brachte.
Hermans, selbst Mitglied der Herz-Jesu-Gemeinde, traf mit seiner Kritik den Nerv der Gläubigen. Gleich danach wurde er zu einem offenen Austausch eingeladen. 80 Menschen kamen. Wütende und enttäuschte Menschen, wie Nauber-Happel berichtet: „An diesem Abend kam hauptsächlich Empörung über die mangelhafte Aufarbeitung des Missbrauchsskandals auf.“ Die meisten Gemeindemitglieder bezweifelten, dass die Bischöfe und Kardinäle allein aktiv würden, um die katholische Kirche zu erneuern. „Dafür braucht es mehr Druck von der Basis, von uns“, betont Nauber-Happel.
Offener Brief an Deutsche Bischofskonferenz
Als Folge gründete sich die Initiative „#Nicht mit uns“, die mittlerweile einen Offenen Brief an die Deutsche Bischofskonferenz aufgesetzt hat. Darin fassen die Burgaltendorfer drei Kernforderungen zusammen: Neben demokratischen Strukturen zur Vermeidung von Machtmissbrauch und einer vollkommenen Gleichberechtigung der Frau regen sie sogar die Auflösung der engen Verknüpfung von Kirche und Staat an. Ein Wut-Brief, der an den Fundamenten der katholischen Kirche rüttelt.
„Wir können nicht mit dem Finger auf andere Religionsgemeinschaften zeigen und verlangen, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen, während die katholische Kirche schwerste Verbrechen vertuscht oder innerkirchlich regelt. Der Rechtsstaat darf sich so etwas nicht bieten lassen“, werden die Gläubigen deutlich. Für den Brief, den sie Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck Ende Juni bei der Gemeindewallfahrt persönlich überreichen wollen, sammeln die Burgaltendorfer nun Unterschriften.
Im bürgerlich geprägten Burgaltendorf ist die katholische Kirche tief verwurzelt, sehr lebendig und deshalb eine wichtige Stimme im Stadtteil. Björn Enno Hermans lobt die Bemühungen seiner Gemeinde: „Ich finde es sehr positiv, dass sich die Menschen nicht vereinzelt ärgern, sondern sich zusammentun und mit offenem Visier für ihre Forderungen einstehen.“ Hermans geht noch weiter: So wünsche er sich, dass die Herz-Jesu-Gemeinde eine Bewegung lostritt und weitere Gläubige mitreißt: „Für eine nachhaltige Veränderung der Kirche braucht es kontinuierlich den Druck aus den Gemeinden.“
>>>SCHULTERSCHLUSS MIT INITIATIVE MARIA 2.0
- Parallel zu der Burgaltendorfer Initiative entstand in Münster die Aktion Maria 2.0, die bereits weite Kreise in ganz Deutschland gezogen hat. Die Burgaltendorfer suchen nun den Schulterschluss mit den Münsteranern, die sich mit einem Offenen Brief an Papst Franziskus gewandt haben.
- Zu der Aktionswoche „Maria 2.0“ sind vom 11. bis 19. Mai vor allem Frauen aufgerufen, um sich für die Gleichberechtigung innerhalb der katholischen Kirche einzusetzen.