Essen. Zum 25. Mal spielen 70 italienische Gemeindemitglieder den Leidensweg Christi. Die ehrenamtlichen Akteure lassen sich persönlich tief berühren.
Seit 20 Jahren mimt Isa Fumei im Passionsspiel die heilige Maria, in ihrer italienischen Heimat gehört die „passione vivente“ zum traditionellen Osterfest. Den Text kennt die 61-Jährige in- und auswendig, dennoch ist auch die nunmehr 25. Aufführung eine Herausforderung. An St. Ignatius in Holsterhausen probt man seit Aschermittwoch für die traditionelle Aufführung der Passionsgeschichte am Karfreitag. Zehnmal wird geübt, dann muss alles sitzen und zwar „perfetto“.
Die Darsteller wandern von 17 bis 18.30 Uhr um die Kirche, singen und beten live. Taizé-Lieder von CDs untermalen das Ganze. Es gibt einzelne Stationen wie bei einem Kreuzweg. In dessen Verlauf wird Jesus von Nazareth verspottet, geschlagen, verurteilt und am Ende auf dem „Schädelhügel“ Golgatha vor den Toren Jerusalems hingerichtet. Für die eindrucksvolle Kreuzigung bauen die Männer am Freitagmorgen die mobile Bühne auf. Man trifft sich um 8.30 Uhr, will bis 12 Uhr alles vorbereitet haben.
Die Aufführung ist für alle Akteure fester Bestandteil des Jahreskreises
„Wir erwarten wieder sehr viele Zuschauer!“, sagt Francesco Livadotti (60). Er ist schlank, bärtig und hat dunkle, traurige Augen: ein klassischer „Gesù“, wie Jesus auf Italienisch heißt. An der Stange mit den Kostümen hängt schon sein weißes Gewand mit roter Schärpe. Vor 41 Jahren ist Livadotti aus Crotone am Ionischen Meer in Kalabrien nach Deutschland ausgewandert. Seit 1996 mischt er beim lebendigen Osterspektakel mit.
Nur einmal verkörperte er Pilatus. Den römischen Statthalter mit Lorbeerkranz, der das Volk entscheiden lässt, ob Jesus zum Tode verurteilt werden soll, stellt Agrippino Todaro (51) dar. Er kam in den 1980er Jahren als Gastarbeiter aus Sizilien, seine Frau wuchs in Gevelsberg auf. Wie der Espresso, mit dem die Gruppe die Probe einläutet, gehört die Aufführung zum festen Jahreskreis. „Ohne die Passion würde uns allen etwas fehlen!“
Nach viereinhalb nebenberuflicher Ausbildung wird „Jesus“ demnächst zum Diakon geweiht
Im Jahr 2020 will Francesco Livadotti, der Drucker in Düsseldorf ist, das schwere Holzkreuz dennoch an einen anderen weiterreichen. „Im November werde ich zum Diakon geweiht“, erzählt er. Viereinhalb Jahre nebenberufliche Ausbildung zum Seelsorger hat er dann hinter sich. In seinem Wohnort Recklinghausen will der überzeugte Katholik sich um Arme, Alte, Kranke und Notleidende kümmern. Neuer Jesus in Essen wird Agrippina Todaro, der die Rolle schon in Gevelsberg gespielt hat.
Temperamentvoll beschreibt die „Maria“ aus Huttrop die Inszenierung. Auch zum 25. Mal sei die „passione di Cristo“ sehr berührend und ergreifend. Sie kennt sie seit der Kindheit in Italien. Am Karfreitag wird sie Pilatus wieder um Gnade anflehen. Wie in echter Verzweiflung beklagt sie unter dem Kreuz auf der Bühne links neben der Kirche das grausame Schicksal ihres geliebten Sohnes, lautstark unterstützt von vielen anderen Frauen.
Die Gefühle der Schauspieler und Zuschauer sind oftmals echt
Spiel und Glaube mischen sich: „Unsere Tränen sind echt“, bekennt sie. Mitleid zeigen oft auch zuschauende Kinder. „Mein Enkel weinte, weil Jesus so heftig geschlagen wurde und blutete!“ Alles wirkt so realistisch. Und die rote Theaterschminke verstärkt den Eindruck.
Die neutestamentliche Geschichte wird in Holsterhausen zweisprachig erzählt. Seit Dezember ist Ida Fumei in Frührente, war lange Empfangsdame bei der Frisörkette ihrer Schwester. Zur Probe hat sie sich schick gemacht. Das roséfarbene Seidenkleid ist selbst genäht. Der mittelblaue Taftumhang verdeckt ihre schwarzen Haare fast ganz. Aus einem Karton auf einem Tisch im Versammlungsraum lugt ein knappes Dutzend römischer Soldatenhelme, stilecht aus glänzendem Metall mit roten Kordelbüschen. „Die hat unsere Pfarrsekretärin Angela Tidili bei einem Kostümverleih besorgt.“
Die Darsteller sind zwischen sechs und 74 Jahre alt
Zwischen sechs und 74 Jahren alt sind die 70 Darsteller. Lange Zeit fand die Aufführung im Elisenpark im Ostviertel statt. Damals gehörten die Italiener zur Gemeinde St. Barbara. Und vor 25 Jahren? „Da spielten unsere Kinder die Passion!“, erzählt Fumei. Ihre Tochter Angela habe mit 14 erstmals als Maria auf der Bühne gestanden.
Auch Jesus war deutlich jünger als heute. Als die Kinder nicht mehr wollten, übernahmen die Eltern das Spiel. Seelsorger Pater Artur Spallek unterstützt die Gruppe. „Er spricht sehr gut Italienisch!“, lobt „Jesus“ Livadotti. Zum Jubiläum hofft man auf schönes Wetter. Die Aussichten klingen vielversprechend. Und am guten Draht nach oben fehlt es auch nicht.
- Die italienische Gemeinde hat ihren Standort an der Kirche St. Ignatius in Holsterhausen. Die rund 70 Mitglieder kommen aus Duisburg, Essen, Gelsenkirchen und Oberhausen.
- Das zweisprachige Passionsspiel wird am Karfreitag von 17 bis 18.30 Uhr öffentlich aufgeführt. Gäste sind willkommen.