Essen. . Mary Roos präsentiert im Colosseum zum Abschied noch einmal ihre größten Hits. Ein Abend voller Charme, Witz und Erinnerungen.
Sieht so etwa eine „schrille Alte“ aus? Eine, die bei „Einmal um die ganze Welt“ im goldglitzernden Paillettenkleid Samba tanzt und zwischendurch unten im Publikum Küsschen verteilt? Mary Roos ist so vital und jugendfrisch, dass sie sich solche Selbstironie leisten kann. In Auftritten mit ihrem zeitweiligen Kabarett-Partner Wolfgang Trepper lässt sie sich mittlerweile sogar augenzwinkernd als „Helene Fischer der Bronzezeit“ ankündigen.
Und trotzdem will sie in diesem Jahr aufhören, hat sie vor wenigen Wochen kurz nach ihrem 70. Geburtstag verkündet: „Vielleicht sagen dann noch ein paar Leute: ,Ach, schade’.“ Ihre treuen Fans im gut gefüllten Colosseum sagten am Freitagabend nicht nur „schade“, sondern forderten laut und deutlich: „Bitte weitermachen!“
Wenn es denn wirklich ihr Abschied ist, dann ist es ein glänzender Schlusspunkt:vergnügt und bewegend, selbstironisch und auch mal ein bisschen sentimental. Und vor allem sehr persönlich: Ein bunter Bilderbogen begleitet die Show, voller Erinnerungen an 61 Jahre Bühnenleben. In dieser Zeit wechseln die Moden und irgendwann auch die Haarfarbe von Braun zu Blond, erlebt die gesamt Fernsehlandschaft drastische Umbrüche von Schwarzweiß zu FullHD. Doch ihre Stimme ist immer da, unverändert warm und geschmeidig und nach wie vor auf der Höhe, bis zum herausfordernden Schluss. Mit ihrer Fassung von Sinatras Hymne „My Way“, mein Weg, beschließt Mary Roos den ebenso beschwingten wie emotionalen Abend.
Weil dieser Weg schon ziemlich lang ist, werden manche Roos-Hits zu flotten Erinnerungs-Medleys zusammengebunden. „Liebeskummer lohnt sich nicht“ und „Schuld war nur der Bossa Nova“ singt sie anfangs und der halbe Saal stimmt schon ein, „oh, oh“. Sie kann heute selber herzlich lachen über Lieder wie „Ich bin Mary und nicht Jane“ und kurz darauf ganz bewegt im persönlichen Lebenslieder-Album blättern: „Mein Sohn“ widmet sie ihrem Sohn Julian.
„Nur die Liebe lässt uns leben“ ist 1972 ihr erster großer Erfolg beim Grand Prix d’Eurovision de la Chanson, wie das Nationen-Wettsingen damals noch heißt. Songwriter Mark Forster, auf den sie 2018 im populären Musik-Tauschformat „Sing mein Song“ getroffen ist, hat das Lied auf neue, intensive Weise übernommen. Forster-Gruß und Lied gibt es an diesem Abend per Videoübertragung, der generationsübergreifende Austausch hat Früchte getragen.
Längst hat auch Mary Roos ihr Repertoire mit Kollegen-Hits erweitert, sie singt „Nur ein Wort“ von Wir sind Helden und den Forster-Song „Von dir zu mir“. Sie adaptiert die Lieder ganz selbstverständlich, wie sie in den 80ern schon Hits von Modern Talking („Ich bin stark nur mit dir“) gecovert hat. Präsentiert sie im entspannt swingenden Easy Listening-Sound, ohne sich modisch anzubiedern. Die siebenköpfige Band und zwei Background-Sängerinnen begleiten Mary Roos dabei souverän durch den Abend, den sie immer wieder mit frechen, charmanten und persönlichen Plaudereien anreichert.
Eine Künstlerin, die nahbar ist. Bis zum Schluss. Im Colosseum-Foyer warten die Fans nach dem Konzert in langen Schlangen auf ihre Mary Roos. Zum Selfie-Machen. Aber auch das gute alte Autogramm ist an diesem Abend noch mal gefragt.
>> BEREITS MIT 15 SINGT ROOS DEN ERSTEN HIT
- Mary Roos, geborene Rosemarie Schwab, wurde schon als Neunjährige bei einem Sommerfest entdeckt. Bereits mit 15 landete sie mit „Arizona Man“ ihren ersten großen Hit.
- Zweimal vertrat sie Deutschland beim Grand Prix d’Eurovision. Sie war der erste deutsche Stargast in der legendären „Muppet Show“ und die erste deutsche Sängerin, die im Pariser „Olympia“ auftrat.