Essen. . Die Stadt Essen zeichnet ein eher positives Bild des Wohnungsmarktes, aber das Aktionsbündnis widerspricht – und erhält Zuspruch vom SPD-Chef.

Das Essener „Wohnungsbündnis“ hat sich am Freitag an der Porschekanzel für mehr bezahlbaren Wohnraum in dieser Stadt stark gemacht. „In dieser Stadt fehlen 39.428 bezahlbare Wohnungen“, sagte Siw Mammitzsch von der Mietergemeinschaft Essen. Gleichzeitig widerspricht das Aktionsbündnis energisch der Stadtverwaltung, die in einer aktuellen Ausschussvorlage „das moderate Preisniveau“ Essens im Vergleich „mit anderen Ballungsräumen in Nordrhein-Westfalen“ positiv herausgestellt hat.

„Das Einkommensniveau in Köln und Düsseldorf ist deutlicher höher als in Essen und im Ruhrgebiet“, hält Mammitzsch dagegen. Sie zitiert eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung, wonach die Mietbelastungsquote in Essen besonders hoch sei – „insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen“. In dieser Bevölkerungsgruppe gehe mehr als die Hälfte des ohnehin geringen Einkommens für die Miete drauf. Hinzu komme, dass sich die Mieten in Essen stärker erhöht hätten als im Durchschnitt.

IG Bau weist auf Mietsteigerung von 6,7 Prozent in Essen hin

Peter Köster, Vorsitzender der Industriegewerkschaft (IG) Bau in Essen, schlägt in dieselbe Kerbe. 2017 habe der Soziale Wohnungsbau in Essen einen Anteil von lediglich 7,1 Prozent am gesamten Wohnungsmarkt. Zum Vergleich: Der NRW-Durchschnitt liegt bei 9,4 Prozent. Zugleich verweist der Gewerkschafter auf „den enormen Anstieg der Nettomieten“ binnen zwei Jahren um 6,7 Prozent in Essen.

Selbst die Verwaltung räumt ein: „Essen nimmt im Vergleich zu den anderen Ruhrgebietsstädten einen oberen Platz ein.“ Siw Mammitzsch sieht insbesondere die Wohnungsgesellschaften – „mit Ausnahme der Genossenschaften“ – in der Rolle der Preistreiber. IG-Bau-Chef Köster weist auf die Folgen hin: „Die Menschen werden verdrängt – entweder ziehen sie in kleinere Wohnungen oder in eine andere Stadt.“

Mit dem bloßen Neubau von Wohnungen werde das Problem nicht gelöst, findet Hans-Jochem Witzke, Vorsitzender des Deutschen Mieterbundes NRW. „Denn die Hälfte der Essener Haushalte kann sich neue und teure Wohnungen gar nicht leisten.“ Speziell für Essen verlangt Witzke eine Verordnung, die Mieterhöhungen binnen drei Jahren auf maximal 15 Prozent deckelt. Momentan liege die Kappungsgrenze bei 20 Prozent.

SPD-Chef Kutschaty: „Essen hat einen geteilten Wohnungsmarkt“

Die Mietergemeinschaft Essen beobachtet schon seit Jahren ein Wachstum der Einwohnerzahlen und eine Verknappung von bezahlbarem Wohnraum. „Die Flüchtlingswelle hat das ohnehin schon bestehende Problem zusätzlich verschärft.“

Auch SPD-Chef Thomas Kutschaty distanziert sich von der Verwaltung. „Essen hat einen geteilten Wohnungsmarkt. deshalb kann sich der Normalverdiener Wohnungen im Essener Süden nicht mehr leisten.“ Das treffe vor allem junge Menschen und Rentner.

Bezahlbare Wohnungen hingegen seien häufig in schlechtem Zustand. Kutschaty: „Ich meine die 45-Quadratmeter-Wohnung im Nachkriegsbau mit Nachspeicherheizung und ohne Balkon, dafür mit Bundesstraße vor der Tür.“ Der Politiker dringt auf die Ausweisung neuer Baugebiete im Essener Süden „mit mindestens 30 Prozent öffentlich gefördertem Wohnraum“.

>>> DAS WOHNUNGSBÜNDNIS IN ESSEN

  • Dem Wohnungsbündnis in Essen gehören an: Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Der Paritätische Essen, DGB, IG Bau, Agrar Umwelt, Verdi, Mietergemeinschaft Essen, Sozialverband Deutschland – Essen.
  • An der Aktion an der Porschekanzel nahmen am Freitag außerdem teil: Mieterverein Essen und Diakoniewerk.
  • Der Forderungskatalog des Wohnbündnisses umfasst fünf Punkte. Der erste lautet: „Essen braucht ein Handlungskonzept Wohnen“.