Essen. . Auf den Färöer-Inseln werden Hunderte Wale getötet. Der Sänger der Band Týr, die im April in Essen auftritt, hat sich an Schlachtungen beteiligt.

Für die Bewohner der Färöer ist es ein Teil ihrer Jahrhunderte alten Kultur, für Tierschützer der blanke Horror: Jährlich werden an den Stränden der Inselgruppe im Nordatlantik Hunderte Grindwale getötet und zerlegt. Bei Letzterem hat Heri Joensen, der Sänger der Färöer Metal-Band Týr, mitgemacht. Am 17. April tritt die Gruppe im Turock in Essen auf – und die Tierschützer laufen Sturm. Der Club in der nördlichen Innenstadt erlebt im Netz gerade einen Shitstorm. Laut Polizei ist zudem eine Demo am Konzerttag vor dem Turock angemeldet.

Peter Siewert ist der Inhaber des Turock.
Peter Siewert ist der Inhaber des Turock. © Kerstin Kokoska

Peter Siewert, Inhaber des Turocks, spricht von einer regelrechten Hetzjagd. „Unsere Facebook-Seite wird massiv von Leuten attackiert“, nennt er ein Beispiel. Man habe unzählige Nutzer blockieren müssen, der Club erhalte schlechte Bewertungen, mutmaßlich von Menschen, die noch nie im Turock gewesen seien. „Ich denke, dass wir das aushalten müssen“, sagt Siewert.

Tierschützer haben zum Boykott aufgerufen

„Wir haben zu einem Boykott aufgerufen“, sagt Jürgen Ortmüller, Geschäftsführer und Gründer des „Wal- und Delfinschutz-Forums“. Der Frontmann der Gruppe „propagiert die Tötung von Grindwalen“, indem er beispielsweise Fotos von sich bei der Zerlegung veröffentliche, sagt der Tierschützer. „Wir finden es nicht in Ordnung, dass sich Heri Joensen daran beteiligt.“ Er sei doch auch ein Vorbild, weil er in der Öffentlichkeit stehe.

„Die hundertfache Abschlachtung von intelligenten Meeressäugern muss endlich gestoppt werden“, sagt Ortmüller über die Grindwaljagd auf den Färöern. Über Facebook habe seine Organisation daher dazu aufgerufen, die Clubbesitzer und Konzerthallenbetreiber anzuschreiben. „Das ist unser gutes Recht, dies zu tun“, findet er.

Týr-Sänger sagt: „Ich habe keinen Wal getötet“

 Bei Facebook hat der Sänger im Juli 2017 ein Foto mit den toten Walen gepostet  
 Bei Facebook hat der Sänger im Juli 2017 ein Foto mit den toten Walen gepostet   © Pirkko Gohlke

„Ich habe beim Zerlegen geholfen. Ich habe keinen Wal getötet“, betont Týr-Sänger Heri Joensen, der davon auch Fotos auf seiner Facebook-Seite gepostet hat.Seit Jahrhunderten jagen die Bewohner der Färöer Grindwale, erklärt der Musiker. Für viele gehört dies zum Nahrungserwerb, es sei eine Alternative zum importiertem Fleisch. „Wir machen das, um das Fleisch zu essen.“ Dahinter stecke keine Industrie wie beispielsweise in Japan.

Die Jagd ist auf den Inseln legal. „Die Wale werden am Strand geschlachtet“, sagt Joensen. Dabei fließe viel Blut und die Szene wirke auf Außenstehende grausam. Der Sänger wirft Tierschutzorganisationen vor, dass sie diese Bilder benutzen, um Spenden zu sammeln. „Wir sind ein leichtes Ziel“, da die Schlachtung in der Öffentlichkeit stattfinde. „Jedes Mal, wenn man Fleisch isst, ist dafür vorher ein Tier gestorben. Doch von den meisten Schlachtungen gibt es keine Fotos.“ Die heftigen Reaktionen beschäftigen Schlagzeuger Tadeusz Rieckmann: „Auf Transparenten, in persönlichen Nachrichten und Telefonanrufen als Mörder, Psychopathen und Abschaum bezeichnet zu werde, beziehungsweise mitunter Morddrohungen zu erhalten, ist keine legitime Kritik“, erklärt er.

Fan kritisiert hysterische und unausgewogene Debatte

„Ich verstehe, dass die Tierschützer nicht wollen, dass die Tiere leiden“, sagt Sänger Joensen. Aber mit einem Boykott seiner Konzerte könnten die Aktivisten nichts bewegen. Es sei effektiver, die Gegner der Waljagd, die es auf den Inseln gebe und die die Gesetzeslage ändern wollen, zu unterstützen.

Heike Pabst ist Fan der Band. Die 40-Jährige hält einen Boykott der Band für übertrieben und unfair. Über die Tierschützer sagt sie: „Man kann mit diesen Leute nicht mehr diskutieren. Diese Debatte ist hysterisch und völlig unausgewogen. Da geht jedes Maß der zulässigen Kritik verloren.“

„Das ist eine Hexenjagd auf eine Person, die für die Waljagd nicht verantwortlich ist“, sagt Turock-Chef Siewert. Joensen sei mit dieser Tradition aufgewachsen, versucht Siewert eine andere Perspektive in die Diskussion einzubringen.

Turock-Chef: „Ich finde die Waljagd nicht gut und nicht zeitgemäß“

Tierschützer Ortmüller hingegen formuliert sein Ziel: „Wir wollen, dass die Clubs die Band wieder ausladen“, sagt er. Von dem Boykott verspreche er sich einen „finanziellen Schaden für die Band. Das ist die einzige Sprache, die sie verstehen“, behauptet er.

In anderen Städten haben Clubs bereits in der Vergangenheit auf den massiven Druck der Tierschützer reagiert und Konzerte der Band abgesagt. Und auf ihrer aktuellen Tour dürfen Týr beispielsweise nicht in Hannover auftreten, erklärt Joensen. Die Einschüchterungsversuche seitens der Aktivisten gegenüber Clubs und Veranstaltern, die die Band buchen wollen, seien inakzeptabel und ein Mittel der Selbstjustiz, kritisiert Schlagzeuger Rieckman.

Für Siewert kommt eine Absage nicht in Frage: „Ich finde die Waljagd nicht gut und nicht zeitgemäß“, betont er. Aber: „Für ein Auftrittsverbot müssen sie etwas anderes machen, als ein fragwürdiges Hobby pflegen.“ Man müsse sich bei der Debatte die Frage stellen, wo die Clubbesitzer denn eine Grenze ziehen sollen: „Lasse ich jemanden auftreten, der in seiner Freizeit Jäger oder Schlachter ist?“

Siewert argumentiert, dass ein Auftrittsverbot der Band zu nichts führe. „Wenn ich das Konzert in Essen verbiete, passiert auf den Inseln nichts.“

Weitere Information zur Jagd auf Meeressäuger

  • Das Grindadráp, die Jagd auf Grindwale, ist auf den Färöern legal – und wird nach Angaben der örtlichen Behörden gesetzlich streng geregelt. 23 Buchten sind laut der Tourismusbehörde für Jagd freigegeben, hauptsächlich werden Grindwale gefangen.
  • Die Jagd findet meist im Sommer statt. Mit kleinen Fischerbooten werden die Wale Richtung Strand getrieben. Tieren, die nicht weit genug auf den Strand gelangen, werde ein stumpfer Fanghaken ins Blasloch gesteckt. Schließlich werde den Säugetieren mit einem Messer das Rückenmark und die Halsschlagader durchtrennt.