Essen. Für den Beweis soll der Angeklagte selbst gesorgt haben. Denn ein von ihm gefilmtes Video zeigt eine Vergewaltigung. Jetzt steht er vor Gericht.
Hässlich, heimtückisch, brutal. Mit diesen Worten lässt sich knapp der Inhalt der Anklage beschreiben, die dem Essener Patrick S. am Freitag vor dem Landgericht Essen die Vergewaltigung einer psychisch kranken 19-Jährigen vorwirft. Unter einem Vorwand soll er sie in seine Wohnung im Essener Wasserturmviertel gelockt und mit S/M-Praktiken traktiert haben. Die Beweise soll der zur Tatzeit 26-Jährige selbst geliefert haben: ein Video von 54 Minuten und 44 Sekunden Länge.
Fast zwei Jahre liegt die mutmaßliche Tat zurück. Das Video soll zeigen, wie die Frau am 24. Juni 2017 hilflos, geknebelt und ans Bett gefesselt vom Angeklagten vergewaltigt wird. Er habe sie auch ausgepeitscht und sich über die junge Frau lustig gemacht, heißt es in der Anklage von Staatsanwalt Phillip Linder.
Opfer leidet an "atypischem Autismus"
Die junge Frau aus dem Rheinland hatte sich abends mit einem Bekannten in der Düsseldorfer Altstadt getroffen. Vereinbart war, dass sie bei ihm übernachten sollte, weil ihr die nächtliche Rückfahrt mit dem Nahverkehr fast unmöglich ist. Laut Anklage leidet sie an einem „atypischen Autismus“. In Stresssituationen ziehe sie sich zurück, erstarre.
In einer Kneipe treffen sie auf den Angeklagten. Die Stimmung ist gut, aber irgendwann ist ihr Bekannter weg. Ohne ein Wort des Abschieds. Die Frau reagiert nervös, weiß wohl nicht, wie sie nach Hause kommen soll. Da bietet der Angeklagte ihr an, sie bei sich in Essen übernachten zu lassen.
"Ich mag halt ein bisschen Folter"
In seiner Wohnung macht er schnell erste Annäherungsversuche. Sie wehrt ab, er drängt nicht weiter. Doch als sie sich zum Schlafen in voller Kleidung ins Bett legt, kommt er dazu. Ausgezogen – bis auf den Slip.
Den Rest zeigt das Video. Es soll zeigen, wie sie ihm wehrlos ausgeliefert ist, wie sie sich windet und wimmert. Ein grausiges Dokument. Und zum Schluss spricht er: „Ich mag halt ein bisschen Folter. Du nicht?“ Und: „Es gibt nur einen Menschen, der dich befreien kann. Nämlich ich.“ Es scheint klar zu sein, wer das Sagen hat: „Ich entscheide, wann das hier vorbei ist.“
Angeklagter will volle Verantwortung übernehmen
Vor der XVI. Strafkammer gibt zunächst Clemens Louis, der Verteidiger des Angeklagten, für diesen eine Erklärung ab: „Der Mandant übernimmt die volle Verantwortung.“ Der Angeklagte bestätigt das, doch seine Aussage zu jener Nacht passt nicht dazu.
Bei Nachfragen spricht er immer wieder von Erinnerungslücken. Eigentlich will er auch erst am nächsten Morgen, als die Frau ihn fast fluchtartig verlässt, bemerkt haben, dass „da irgendetwas suspekt war“. Vielleicht habe er die Sache ja doch falsch eingeschätzt, denn er sei eigentlich von einem einvernehmlichen Rollenspiel ausgegangen.
Zeugin wird ohne Öffentlichkeit gehört
Richter Martin Hahnemann zeigt sich unzufrieden, wenn der Angeklagte sich nicht erinnern will: „Wir sind hier nicht zum Kaffeesatzlesen. Mutmaßen können wir auch selber.“
Zwei Tage hat die Kammer zunächst angesetzt. Die Zeugin wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehört, auch der Angeklagte darf nicht dabei sein. Denn die junge Frau soll noch immer stark unter den Folgen der Tat leiden.