Essen. . Essener Architektur zwischen Bauhaus und Gegenwart: Peter Brdenk und Wolfgang Kleber präsentieren im Bauhaus-Jahr eine Bestandsaufnahme.
Kubische Form, Flachdach, weiße Putzfassade: Drei Beschreibungen kennzeichnen bis heute den Begriff „Bauhaus“. Doch während in Weimar und Berlin die Inbegriffe dieser revolutionären Bauidee bis heute sichtbar sind und die israelische Stadt Tel Aviv mit ihrer weltweit größten Ansammlung von Bauhaus-Gebäuden daran erinnert, wofür diese Architektur-Idee einmal stand – nämlich für die Schaffung von funktionalem und bezahlbaren Wohnraum – kann man in Essen auch sehen, wie weit der Bauhaus-Begriff über die Jahre interpretiert und erweitert wurde.
„Den Bauhaus-Stil gibt es hier eigentlich nicht. Architekten haben die Formsprache aufgenommen und jeder hat seine Handschrift eingebracht“, erklärt der Essener Architekt Peter Brdenk, der sich zusammen mit dem Fotografen Wolfgang Kleber im Bauhaus-Jubiläumsjahr an eine Bestandsaufnahme gewagt hat. In Buchform und derzeit auch als Ausstellung im Forum Kunst & Architektur wird vor Augen führt, wie sich die Essener Architektur zwischen Bauhaus und Gegenwart entwickelt hat.
Nach zwei Bänden über Architektur in Essen und einem weiteren über Essener Plätze wird im jüngsten Buch vor Augen geführt, was Essen an fortschrittlichem Bauen hervorgebracht hat und was über die Jahrzehnte verloren ging. Das Bauhaus-Thema wird dabei nicht nur lokal verankert, sondern ist diesmal auch überregional eingebettet. Fotograf Wolfgang Kleber hat dafür die Wahrzeichen wie Bauhausschule und Meisterhaus Dessau und auch die Weiße Stadt in Tel Aviv besucht und die Gebäude auf eine bemerkenswert einheitliche, formalästhetische Linie mit den vom Bauhaus inspirierten Gebäuden in Essen gebracht. In klassisch-klaren Schwarzweiß-Fotografie entsteht so eine umfassende Auflistung von „Häusern in Weiß“ , die vor 100 Jahren neu waren und in bevorzugten Essener Wohnlagen heute angesagter denn je erscheinen.
In der Stadt von Kohle und Stahl haben es weiße Fassaden schwer
Wer original Bauhaus sucht, der wird allerdings nicht wirklich fündig. Zwar habe es in Essen einen Bezug zum Bauhaus gegeben, doch habe man sich in der Durchführung oft für eine „verhaltene Variante“ entschieden, heißt es im Buch. Anders als in Köln, wo ab 1928 die „Weiße Stadt“ entsteht, bleibt die Lust am Neuen Bauen in Essen gedämpft. Mag es daran liegen, dass man in der Stadt von Kohle und Stahl die Luft nicht rein genug findet für blendendweiße Fassaden. Mag der aufziehende Nationalsozialismus manche kühne Baumeister-Karriere rasch wieder zunichte gemacht haben: Geblieben sind Essen immerhin einige Gebäude, die der Bauhausauffassung und dem Internationalen Stil ziemlich nahe kommen.
Die 1931 entworfene Jüdische Trauerhalle in Huttrop zählt ebenso zu diesem Erbe wie das Grashof-Gymnasium in Bredeney, von 1929 bis 31 nach den Plänen Alfred Fischers erbaut. Fischer – ab 1911 Direktor der später zur Folkwangschule für Gestaltung umbenannten Handwerker- und Kunstgewerbeschule – gehört damals zu den Anhängern der modernen Architekturbewegung wie der Essener Beigeordnete Ernst Bode. Dessen 1930 gebaute Kinderklinik der städtischen Krankenanstalten schafft es 1932 sogar ins Fachblatt „The International Style: Architecture Since 1922“. Auch die von Bruno Kleinpoppen gebaute Polizeischule in Bredeney und das zwischen 1934 und ‘36 errichtete Evangelische Krankenhaus der Huyssen-Stiftung entstehen nach den Prinzipien des Bauhaus – beinhalten aber eben auch gestalterische Kompromisse.
Neben den öffentlichen Bauherren sind es aber vor allem die privaten Auftraggeber, die der Vorliebe für weiße Fassaden heute wieder mehr denn je huldigen. Während das von Curt Waase entworfene Wohnhaus aus den späten 1920ern Jahren am Ruhrstein noch klassische Details wie die langgezogene, um die Ecke reichende Fensterfront aufnimmt, werden die Entwurfsprinzipien des Bauhaus in jüngster Zeit immer wieder neu formuliert. Da wölben sich die makellos weißen Fronten in organisch geschwungenen Bögen wie am Brucker Holt, präsentiert sich der Kubus in minimalistischer Geschlossenheit wie an der Carl-Funke-Straße und sorgt das Flachdach am Schloss Schellenberg für Wohnkomfort mit Waldblick.
Dass Fotograf Wolfgang Kleber die meisten Motive südlich der A 40 gefunden hat, dürfte Beleg dafür sein, dass Bauhaus längst nicht mehr Modell für neues und soziales Bauen ist, sondern inzwischen eher eine gewisse Einheitlichkeit für Eliten verspricht.
<< EXPERTEN SPRECHEN ÜBER BAUHAUSIDEE
- Die Ausstellung „In Weiß. Essener Architektur zwischen Bauhaus und Gegenwart“ ist bis zum 7. April im Forum Kunst und Architektur, Kopstadtplatz, zu sehen.
- Am Dienstag, 26. März, lädt der Bund Deutscher Architekten (BDA) Essen um 19 Uhr zur Diskussionsrunde und Buchvorstellung ins Forum Kunst und Architektur. Mit Kunsthistoriker Thorsten Scheer tauschen sich die Experten über die Impulse und Spuren aus, die die Bauhausidee auch in Essen hinterlassen hat. Moderator ist der Journalist Ulrich Führmann.