Essen. Ein Projekt der Ehrenamt-Agentur hilft zugewanderten Kindern bei der Integration. Dafür spendet eine Essener Software-Firma jetzt 10.000 Euro.
Sie sehen sich auf dem Schulhof und sprechen nicht miteinander, sie kennen den Sportverein in ihrem Stadtteil nicht und haben noch nie den Baldeneysee gesehen: Viele Kinder aus Flüchtlingsfamilien kommen mit dem Alltag der Deutschen kaum in Berührung. Darum hat die Ehrenamt-Agentur im Jahr 2016 ein Projekt gestartet, das Flüchtlinge und Einheimische zwischen zehn und 18 Jahren zusammenbringt. Die Resonanz ist so groß, dass „Gemeinsam Aufwachsen“ jetzt bis 2020 fortgesetzt wird.
In einer Gruppe sind jeweils zehn etwa gleich alte Kinder, die dieselbe Schule besuchen, dort aber womöglich noch kein Wort gewechselt haben. Gemeinsam mit den Gruppenleitern erkunden die Jugendlichen ihren Stadtteil: Begeben sich bei einer Rallye auf die Suche nach Lieblingsorten, schauen welche Anlaufstellen, Sport- und Spielangebote es im Viertel gibt.
Kinder kannten Jugendzentrum neben der Schule nicht
„Wir waren überrascht, dass einige Schüler der Gesamtschule Bockmühle das Jugendzentrum Check-In in Altendorf nicht kannten – obwohl es neben der Schule liegt“, sagt Bildungswissenschaftlerin Sarah Malzkorn (27). Gemeinsam mit ihrer gleichaltrigen Kollegin Valerie Benninghoff, die Lehramt studiert, erlebt sie , wie schnell die Jugendlichen ins Gespräch kommen „und sogar ihre Flucht-Geschichten erzählen“.
Und so läuft „Gemeinsam Aufwachsen“ quasi zweigleisig: Die Jugendlichen erkunden gemeinsam die eigene Stadt und sie lernen einander kennen. Im besten Fall entwickeln sich bei den wöchentlichen Treffen Freundschaften, die auch Bestand haben, wenn das Projekt für sie nach jeweils drei bis vier Monaten ausläuft.
Viele Jugendliche sind auch Übersetzer für die Eltern
Während es sonst häufig schwierig ist, Einheimische für solche Begegnungen zu gewinnen, gab es damit bei „Gemeinsam Aufwachsen“ keine Probleme. „Es haben sich immer genug Schüler gemeldet, die schon lange hier leben“, betont Sarah Malzkorn. Die Neugier auf die Zugewanderten und ihr Leben sei offenbar groß.
Umgekehrt freuten sich die Kinder aus Flüchtlingsfamilien, mal etwas in lockerem Kontext und jenseits von Schulnoten zu lernen. Viele von ihnen erlebten einen hohen Leistungsdruck, weil sie sich nicht nur in der Schule durchbeißen müssten, sondern auch als Übersetzer und Brückenbauer für die eigenen Eltern fungierten. „Die wiederum haben Angst, ihre Kinder an das neue Heimatland zu verlieren. Das zerreißt viele der Jungen und Mädchen“, sagt die Geschäftsführerin der Ehrenamt-Agentur, Janina Krüger. Um den Jugendlichen die Integration zu erleichtern, sei es umso wichtiger, sie zu begleiten, ihnen Berührungsängste zu nehmen.
Firma beschäftigt Mitarbeiter vieler Nationalitäten
Dass Integration kein Selbstläufer ist, erlebt auch Miriam Czepluch-Staats, die die Öffentlichkeitsarbeit für das Software-Unternehmen GFOS macht, in dem Mitarbeiter verschiedener Nationalitäten arbeiten – darunter auch ein syrischer Flüchtling. Bis der junge Mann seine Fachkenntnisse auch in der neuen Sprache anwenden konnte, verging einige Zeit. Heute gilt er als Erfolgsgeschichte. „Man darf nicht immer nur über den Fachkräftemangel jammern – man muss auch etwas tun, um das Potential zu fördern“, sagt Miriam Czepluch-Staats. Und so spendet GFOS nun 10.000 Euro für das Projekt „Gemeinsam aufwachsen“ – um Kindern und Jugendlichen schon früh den Weg zu ebnen.
>>> EHRENAMT-AGENTUR VERMITTELT HELFER
- Am Projekt „Gemeinsam aufwachsen“ nehmen derzeit Schüler der Gesamtschule Bockmühle (Altendorf), des Burggymnasiums (Innenstadt) und des Gymnasiums Borbeck teil. Von 2016 bis 2018 wurden bereits rund 200 Kinder und Jugendliche erreicht. Nun läuft das Projekt bis 2020 weiter.
- Die Ehrenamt-Agentur Essen e.V. hilft Menschen, das zu ihnen passende Ehrenamt zu finden. Seit 2005 fördert sie freiwilliges Engagement, bringt Helfer und gemeinnützige Organisationen zusammen.