Essen. . „Wir haben die Wahl“: Schau informiert über 100 Jahre Frauenwahlrecht in Essen. Und fragt auch nach dem heutigen Stand der Gleichstellung.

Von Quote ist damals noch keine Rede. Doch als der Kampf ums Frauenwahlrecht 1919 endlich Erfolg zeigt, beginnt auch in Essen eine neue Zeitrechnung. Acht weibliche Abgeordnete begründen am 21. März in der damals 102-köpfigen Essener Stadtverordnetenversammlung eine neue Ära. 100 Jahre später erinnert eine Ausstellung der Gleichstellungsstelle im Rathaus ab Freitag an die Pionierinnen dieser politischen Wendezeit. „Wir haben die Wahl“ heißt die kompakte, auch für Ausleihen geeignete Schau. Sie blickt nicht nur zurück in die Vergangenheit, sondern fragt auch Frauen von heute, was auf dem langen Weg zur Gleichberechtigung erreicht wurde. Und was zu tun ist.

Minna Deuper, Gründerin der sozialdemokratischen Frauenbewegung und der Arbeiterwohlfahr in Essen, mit ihrem Mann Friedrich. Foto: Archiv Ernst Schmidt
Minna Deuper, Gründerin der sozialdemokratischen Frauenbewegung und der Arbeiterwohlfahr in Essen, mit ihrem Mann Friedrich. Foto: Archiv Ernst Schmidt

„Wir Frauen dürfen nicht darauf warten, dass die Veränderung zu uns kommt – wir müssen sie selbst gestalten“, sagt beispielsweise die Unternehmerin Jutta Kruft-Lohrengel. Ein Satz, der auch von der kämpferischen Minna Deuper stammen könnte, die Anfang es 20. Jahrhunderts den Weg zur Wahlurne in Essen bereitet. Deuper gilt als „Radikale“, die Flugblätter verteilt, Frauenversammlungen anfangs als Kaffeeklatsch tarnt und schon früh für das Frauenwahlrecht wirbt. Als 1908 die ersten „Frauenpersonen“ einer Partei beitreten dürfen, gehört sie zu den ersten Sozialdemokratinnen, wird später Mitbegründerin der Essener Awo. Doch erst mit der Revolution und dem Untergang des Kaiserreichs kommt 1919 auch das Wahlrecht für Frauen. Binnen weniger Wochen müssen damals Kandidatinnen gefunden und Wählerinnen mobilisiert werden. Und nicht alle sind begeistert, manche wollen mit den „Männer-Honorationsvereinen“ eigentlich gar nichts zu tun haben, „weil sie ihren gesellschaftlichen Einfluss gesichert sehen“, erklärt Historikerin Susanne Abeck, die das Thema für die Gleichstellungsstelle erforscht hat.

Aufruf in der Arbeiter-Zeitung zu einer Wahlveranstaltung mit Maria Edler von der DDP am 8. Januar 1919.
Aufruf in der Arbeiter-Zeitung zu einer Wahlveranstaltung mit Maria Edler von der DDP am 8. Januar 1919. © Haus der Essener Geschichte/Stadtarchiv

Die Aufzeichnungen sind rar. Doch die Essener Frauenbewegung ist damals vielfältig, reicht von der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP), die zwei Frauen in den Rat entsendet, bis zu den in MSPD und USPD getrennten Sozialdemokraten, die mit Emma Leder und Emma Grasse vertreten sind. Vor allem der katholischen Zentrums-Partei gelingt es, die Wählerinnen zu mobilisieren. Mit Albertine Badenberg aus Steele zieht eine Frau in den Rat, die sich auch für die finanzielle Gleichstellung von Lehrerinnen und Lehrern einsetzt. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – bleibt bis heute eine Forderung.

Aktuell sitzen 30 Frauen im 90-köpfigen Rat der Stadt Essen. „Verbal sind wir gegendert, was aber nichts mit dem Verhalten zu tun hat. Deswegen: Für Selbstbestimmung und Gleichstellung braucht es eine Quote“, wird Grünen-Ratsfrau Hiltrud Schmutzler-Jäger zitiert.

>>BLICK IN GESCHICHTE UND GEGENWART

Die Ausstellung „Wir haben die Wahl“ wird am 8. März, dem Internationalen Frauentag, um 16 Uhr im Rathaus-Foyer von Oberbürgermeister Thomas Kufen eröffnet. Der Eintritt ist frei. Die Begleitung übernimmt das Frauen-Jazz-Trio „Blue Moon“.

Die Schau ist bis zum 21. März zu sehen und kann danach auch ausgeliehen werden. Neben dem historischen Rückblick kommen Frauen zu Wort, die heute in Gesellschaft und Politik mitreden, darunter Ratsfrauen wie Gabriele Giesecke (Die Linke) oder Julia Jankovic (SPD), die Queerfeministin Johanna Ziemes und Kinochefin Marianne Menze.