Essen. . Walther Müggenburg, Chef der Staatsanwaltschaft Essen, geht in den Ruhestand. Ein Rückblick auf ein Leben als Jurist und Fan von Rot-Weiss Essen.
Juristen, gerade die in den höheren Positionen, gelten ja immer als etwas elitär, abgehoben. Wie alle Klischees, ist auch dieses falsch. Und wer mit Walther Müggenburg, dem Leiter der Essener Staatsanwaltschaft, spricht, merkt schnell, wie geerdet auch dieser Jurist ist. Das WAZ-Gespräch zu seinem Wechsel in den Ruhestand am 1. März dreht sich natürlich um seine Laufbahn als Jurist, um seine Behörde, seine Familie – aber eben auch um Rot Weiss Essen.
Drei Dinge fallen auf in seinem Büro, und sie charakterisieren das Leben des Walther Müggenburg, der am 11. Juli vergangenen Jahres seinen 65. Geburtstag feierte. Wenn er am Schreibtisch an der Zweigertstraße sitzt, blickt er auf ein großflächiges Foto, das den Strand der Nordseeinsel Juist zeigt. Sie ist das Urlaubsstammquartier, wo er mit Ehefrau und zwei längst erwachsenen Kindern die freie Zeit verbrachte und verbringt. Seit fünf Monaten ist er auch Opa.
Fotos vom RWE-Stadion in seinem Rücken
Auf dem Schreibtisch liegen juristische Bücher und Akten. Klar. Und in seinem Rücken hängen zwei Bilder vom Stadion an der Hafenstraße, wo ihn die RWE-Kicker seit fast 50 Jahren zur Begeisterung, aber leider auch zur Verzweiflung getrieben haben. Drei Dinge in seinem Büro, die grob gesagt die Eckpfeiler seines Lebens darstellen.
Ein echter Essener Junge ist er. 1953 in Rüttenscheid geboren, in Bredeney aufgewachsen, später in Huttrop und jetzt wieder in Rüttenscheid lebend.
Essen als „die schönste Stadt Deutschlands“
Nach dem Abitur am Goethe-Gymnasium entschied er sich für ein Jurastudium, „weil es so vielseitig ist“. Er landete in Köln, wo er auch später als stellvertretender Leiter der Staatsanwaltschaft wie der Generalstaatsanwaltschaft tätig war. Köln gefiel dem Essener gut: „Es gibt Schlimmeres, als von der schönsten Stadt Deutschlands täglich zur zweitschönsten zu fahren.“
1980 hatte er sein Studium in Köln beendet, danach ein Referendariat in Essen angetreten. Vor allem die Station Staatsanwaltschaft machte ihm Spaß, etwa der selbstständige Sitzungsdienst. In seiner Karriere hat er ein Jahr als Richter am Amtsgericht Bottrop geurteilt. Auch diese Zeit will er nicht missen. Am Berufsziel Staatsanwalt änderte das nichts: „Als Staatsanwalt können Sie mehr ermitteln, gestalten. Als Richter müssen Sie mit dem leben, was der Staatsanwalt ihnen vorlegt.“
Das erste Spiel 1970 gegen Mönchengladbach
Aber es geht ja nicht nur um die juristische Laufbahn. Der Fußball wird Gesprächsthema. Als Kind des Essener Südens, selbst unsportlich, war er natürlich anfangs beim damaligen Zweitligisten ETB Schwarz-Weiß Essen. Doch 1970 forderte ihn sein Lateinlehrer, übrigens der Vater des heutigen Essener Ordnungsdezernenten Christian Kromberg auf, mal mit zu RWE zu gehen: „Da sehen Sie richtigen Fußball.“
Da war es um Müggenburg geschehen. 21. April 1970, 25.000 Zuschauer an der Hafenstraße. Da erlebte er die Partie gegen den Bundesliga-Tabellenführer Borussia Mönchengladbach. Mit 1:0 gewannen die Vogelheimer durch ein Kopfballtor von Willi Lippens in der 77. Minute. „Diese Atmosphäre“, schwärmt er noch heute. Und ist dabei geblieben. Bis heute. Vierte Liga, wen stört’s?
Zuerst als Rechtsanwalt gearbeitet
Als Jurist hat er die niederen Klassen schnell verlassen. Zwar litt er zu Beginn unter dem Einstellungsstopp bei der Staatsanwaltschaft und arbeitete zwei Jahre als Rechtsanwalt. Danach stellte die Behörde wieder ein, er kam nach Bochum in die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität. „Das war ein guter Mann“, erinnert sich Hans-Joachim Regul, damals Vorsitzender Richter am Bochumer Landgericht, an den jungen Ermittler.
Zielstrebig erklomm Walther Müggenburg die Karriereleiter, bevor er 2012 die Leitung der Essener Staatsanwaltschaft übernahm. Er lobt die Behörde. Sagt, wie loyal und fähig die Mitarbeiter seien. Dass es dank des Ministeriums mehr Stellen in seiner Zeit gegeben hat, vermerkt er ebenfalls lobend. Als er anfing, gab es 63 Staatsanwälte, heute sind es 75.
Essen ist eine der sichersten Großstädte
Aber er grätscht auch kritisch ein, als sein Justizminister kürzlich bei der Vorstellung von „Libanesen-Staatsanwälten“ tatsächlich meinte, die Essener Bürger müssten endlich wieder ohne Angst auf die Straße gehen können. Da stellt er sofort klar, verweist auf die Statistik: „Essen ist eine der sichersten Großstädte in Deutschland.“
Er findet auch, dass das Sicherheitsbedürfnis der Deutschen nicht zur Realität passe: „Die meisten werden ja nie Opfer einer Straftat.“ Und früher, in seiner Jugend, habe es ja auch Gewalt gegeben: „Da gab es Rockerbanden.“ Man solle die Vergangenheit nicht verklären, mahnt er.
Vorsitzender des Ehrenrates von RWE
Bei Rot-Weiss geht es auch weiter. Seit 1975 ist er Mitglied. 2002 sprach ihn der frühere Geschäftsführer Paul Nikelski an, ob er nicht Vorsitzender des Ehrenrates werden wollte. Das ist das Gremium, das über Vereinsausschlüsse von Mitgliedern entscheidet. Dieses Ehrenamt übt er bis heute aus.
Was er im Ruhestand macht, weiß er noch nicht. Reisen mit seiner Frau gehören zur Planung, auch weiterhin Besuche der Philharmonie. Rechtsanwalt, wie andere pensionierte Richter und Staatsanwälte, will er nicht werden.
Fans sind das Herz des Vereins
Über Rot-Weiss spricht er konkreter. Dass die Fans das Herz des Vereins sind, sagt er. Dass ein Investor her muss, dies aber transparent mit den Mitgliedern besprochen werden müsse.
Zwei junge Staatsanwälte, die vom Gespräch des Gerichtsreporters mit ihrem Chef erfahren haben, geben dem Journalisten eine Frage mit auf den Weg: Was der Chef denn meine, wann RWE wieder in der Bundesliga spiele?
Die Justiz soll bleiben wie sie ist
Aber da wehrt Müggenburg ab. Eine Prognose traue er sich nicht zu. Allerdings: „Es ist mein allergrößter Lebenswunsch, den Verein wieder in der ersten Liga zu sehen.“
Der Reporter hat auch noch eine Fußballfrage. Was denn einfacher zu leiten sei, ein Fußballclub oder eine Staatsanwaltschaft? Die Antwort kommt schnell: „Die Staatsanwaltschaft. Sie ist nicht abhängig von unberechenbaren Einflüssen.“ Noch einmal zurück zum Beruf. Was er der Justiz für die Zukunft wünscht? „Ach“, sagt er, „eigentlich kann sie bleiben wie sie ist“.