Essen. . Bundesweit gibt es immer weniger Apotheken – Essen ist da keine Ausnahme. Kleine Apotheker wehren sich gegen Rabatte der Online-Händler.
Wer eine Apotheke hat, der verdient viel Geld. So oder so ähnlich mögen viele Außenstehende denken. „Diese Zeiten sind schon längst vorbei“, entgegnet Rolf-Günther Westhaus, Sprecher der Apothekerkammer für Essen. Denn der Arzneimittelmarkt in Deutschland sei hart umkämpft.
Laut der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände sinkt die Zahl der öffentlichen Apotheken in Deutschland seit 2009. Ende 2017 gab es 19.748, dies sei der niedrigste Stand seit den später 1980er Jahren. Eine Branche klagt – wenn auch auf hohem Niveau. Essen ist da keine Ausnahme, auch hier nimmt die Zahl der Apotheken ab: 1998 waren es 175, im vergangenen Jahr 127 Apotheken im Stadtgebiet.
Seit 2008 gebe es jährlich rund vier Apotheken weniger in Essen, erklärt Westhaus. Der 64-Jährige sitzt im Büro seiner Apotheke an der Schulte-Hinsel-Straße in Überruhr und erklärt: Zwar sei das sogenannte „Apothekensterben“ in Essen noch nicht auf einem Niveau wie in ländlichen Gebieten, doch man müsse die Entwicklung beobachten. Betroffen seien vor allem kleinere Apotheken.
Apotheker fordern Verbot von Rabatten der Online-Händler
Ein Grund für Apotheken-Schließungen sieht Westhaus in einem ungleichen Wettbewerb zwischen Online-Händlern und Apothekern vor Ort. Online-Händler mit Sitz im EU-Ausland dürften Rabatte auf verschreibungspflichtige Medikamente geben. Westhaus fordert ein Verbot dieser Ermäßigungen.
Im Koalitionsvertrag war sogar ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten geplant. Doch das ist wieder vom Tisch. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn machte jüngst Vorschläge wie eine Deckelung der Online-Rabatte oder Ausgleichszahlungen. Das reicht vielen Apothekern nicht.
„Ich will mich als Selbstständiger auf dem freien Markt behaupten“, sagt Westhaus. Der betont, dass dies keineswegs „Gejammer“ sei. Er wolle nur eine Chance auf fairen Wettbewerb.
Auf das Argument, dass das „Apothekensterben“ vielleicht eine natürliche Marktbereinigung sei, antwortet er: „Wenn ich selbst für die Marktregulierung verantwortlich bin, dann akzeptiere ich das, aber wenn es mir von oben auferlegt wird, dann akzeptiere ich das nicht.“
Bürokratie stelle Apotheker vor Herausforderungen
Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten sind die Renditen gering. Egal, wie teuer ein Produkt ist, der Apotheker erhält 8,35 Euro plus drei Prozent des Einkaufswerts sowie abzüglich eines Abschlags an die Krankenkasse.
„Viele Apotheker geben auf, weil sie sagen: ‘Wir schaffen die Bürokratie nicht mehr.’“ Zahlreiche Auflagen müssten erfüllt werden, etwa Labore und Notdienstzimmer haben. Alte Apotheken, bei denen sich kein barrierefreier Zugang nachrüsten lasse, seien wegen der Auflagen nahezu unverkäuflich.
Für viele kleine Apotheken seien zudem Abrechnungsprobleme mit den Krankenkassen "der Todesstoß". So gehe ein Apotheker für ein sehr teures Medikament in Vorkasse, doch es könne passieren, dass die Krankenkasse die Kosten nicht erstatte, weil ein Formfehler auf dem Rezept gemacht wurde.
Nachwuchs gehe lieber in die Industrie oder Forschung
Und die Apotheker plagen auch Nachwuchssorgen: Denn nur ein geringer Teil Studienabsolventen entscheide sich für eine öffentliche Apotheke. „Ihnen fehlt einfach die Perspektive.“ Der Großteil gehe in Industrie, Forschung oder Verwaltung.
Seit 1996 führt Westhaus seine Apotheke in Überruhr. Das Geschäft will er im kommenden Jahr an seinen Sohn weitergeben, doch aktuell scheint er zögerlich: „Wir warten erst einmal die Entwicklung in diesem Jahr ab.“