Ruhrgebiet. . Früher war das Fitnessstudio ein Treffpunkt für Muskelmänner. Heute zieht es viele Rentner hierher. Sie wollen gesund, fit und attraktiv sein.

Früher traf sich im Fitnessstudio eine Art geschlossene Gesellschaft. Muskelmänner und zarte junge Frauen blieben unter sich, um zu sportlichen Höhenflügen anzusetzen. Das ist heute anders. Zwischen Stepper, Crosstrainer und Laufband sind immer häufiger graumelierte Haarschöpfe zu sehen. So viele Rentner wie nie zuvor zieht es an die Geräte. 10,6 Millionen Mitglieder verzeichnen die Fitnessstudios insgesamt. Jeder Zehnte davon ist 60 Jahre oder älter, so der Arbeitgeberverband deutscher Fitnessanlagen DSSV. Innerhalb von vier Jahren notierte er ein Plus von 20 Prozent in dieser Altersgruppe.

„Best Ager“ werden diese höheren Semester gerne genannt. Ein besonders aktiver Vertreter ist der Essener Ulrich Steinbach. Der 71-Jährige besucht drei Mal in der Woche ein Studio, jedes Mal trainiert er zwei bis drei Stunden. „Ich bin mehr Renntier als Rentner“, sagt er und lächelt. Beinpresse, Gewichte stemmen, Übungen mit dem Gymnastikball – er mag das alles. „Ich möchte fit bleiben und in einer angenehmen Atmosphäre nette Leute treffen.“

Experte: Auch die Eitelkeit sollte bei den älteren Sportlern nicht unterschätzt werden

Die Freude an Aktivität hat auch etwas mit einem neuen Lebensgefühl der Generation 65plus zu tun: „Das Altersbild hat sich stark gewandelt“, sagt der Wuppertaler Sportwissenschaftler Prof. Theodor Stemper. Das Bild von der Großmutter im Lehnstuhl sei von gestern, „heute haben wir es mit vielen agilen 75-Jährigen zu tun, bei denen man auch die Eitelkeit nicht unterschätzen sollte“, so der Wissenschaftler. Grundsätzlich seien ältere Menschen aufgeschlossener gegenüber Bewegung: „Wandern, Schwimmen, Radfahren oder Gymnastik sind beliebt – und eben die Fitnessstudios.“

Sportwissenschaftler Theodor Stemper sagt: „Das Altersbild hat sich stark gewandelt. Wir haben es mit vielen agilen 75-Jährigen zu tun.“
Sportwissenschaftler Theodor Stemper sagt: „Das Altersbild hat sich stark gewandelt. Wir haben es mit vielen agilen 75-Jährigen zu tun.“ © privat

Ein Trend, den die Industrie längst erkannt hat. Es gibt Hersteller, die ihre Geräte an die Bedürfnisse älterer Sportler anpassen. Beispielsweise mit der Möglichkeit einer stufenlosen Feinabstimmung von Gewicht oder Widerstand, die auch Untrainierten schnelle Erfolgserlebnisse möglich macht. Oder mit besonders bequemen Sitzen für Heimtrainer oder Ergometer. Oft bringen die Seniorensportler gesundheitliche Probleme mit. Von Rücken- oder Knieschmerzen bis zu Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Diabetes. „Man kann in fast allen Fällen trotz dieser Einschränkungen trainieren. Es ist nur wichtig, sich zunächst vom Arzt beraten zu lassen“, sagt Theodor Stemper. Unter anderem aus solchen Gründen bevorzugten die älteren Sportler Fitnessstudios mit einer intensiveren Betreuung. „Gesundheits- und Serviceorientierte Einzelstudios sind bei ihnen beliebter als die großen Ketten.“

Im Ruhestand mehr Zeit für Training

Auch der Essener Rentner Ulrich Steinbach trainiert in einem solchen Einzelstudio – er schätzt die Ungezwungenheit. „Hier muss man nicht so gestylt herumlaufen“, sagt er. Mit seinen 71 Jahren ist er noch längst nicht der Älteste. Vier Prozent der Stammgäste sind hier zwischen 81 und 90 Jahre alt.

Oft bleiben die Rentner in diesen Studios mit der dezenten Hintergrundmusik länger am Ball als ihre Enkel in der coolen Muckibude mit den lauten Bässen nebenan. Weil sie Zeit haben. Ulrich Steinbach trainiert seit 25 Jahren. Aber seit er im Ruhestand ist, intensiver und regelmäßiger als je zuvor.