Essen. . Zollverein hat im 2. Weltkrieg russische Kriegsgefangene und Ostarbeiter beschäftigt. Stiftung hat beschlossen, an deren Schicksal zu erinnern.
Die Ausbeutung von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern im Zweiten Weltkrieg gehört zu den dunklen Kapiteln des Ruhrbergbaus. Auf dem Welterbe Zollverein soll deshalb eine Gedenktafel aufgestellt werden, die an das Schicksal der Zwangsarbeiter in der Nazi-Zeit erinnert.
Der Vorstand der Stiftung Zollverein hat bereits im November beschlossen, die Gedenktafel auf dem Kokerei-Gelände am Standort des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers aufzustellen: zwischen der Mischanlage und dem Anfang der Koksofenbatterie am Eingang des künftigen Denkmalpfades Kokerei Zollverein. Die Stiftung betont, dass es sich um einen stark frequentierten Ort handele.
Die Tafel enthält einen längeren Text, der an die düsteren historischen Hintergründe erinnert. Mehr als 90.000 sowjetische Kriegsgefangene und rund 30.000 Ostarbeiter haben im Jahr 1944 im Ruhrbergbau gearbeitet. Wörtlich heißt es: „Auf Zollverein waren im Oktober 1944 175 sowjetische Kriegsgefangene, 373 Kriegsgefangene aus anderen Ländern sowie 221 Ostarbeiter und Ostarbeiterinnen beschäftigt. Sie mussten trotz unzureichender Ernährung Schwerstarbeit in den Gruben leisten. Eines der Barackenlager Kriegsgefangene befand sich auf dem Gelände der späteren Kokerei Zollverein.“ Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten Flüchtlinge die Baracken bewohnt, erst für den Bau der Kokerei seien sie abgerissen worden.
Heinz Geppert hat die Häftlingskolonnen in den Kriegsjahren vorm Elternhaus marschieren sehen
Heinz Geppert (88) war der letzte Tagesbetriebsführer auf der Zeche Zollverein, die am 23. Dezember 1986 als letztes Essener Bergwerk die Kohlenförderung einstellte. Am 1. August 1945, also nur wenige Monate nach Kriegsende, hat der Stoppenberger mit gerade mal 14 Jahren auf Zollverein angelegt. „In den Jahren davor habe ich gesehen, wie die Gefangenen von den Lagern in Kolonnen und unter Bewachung zu den Schächten marschiert sind.“ Sein Elternhaus habe unterhalb von Schacht 6 gestanden. „Dort sind die Russen frühmorgens, mittags und auch abends vorbeigezogen“, fügt Heinz Geppert hinzu.
Dass die Kriegsgefangenen und Ostarbeiter unter erschwerten Bedingungen arbeiten mussten, sei unbestreitbar. „Die deutschen Bergleute waren als Soldaten an der Front, und es musste Kohle um jeden Preis gefördert werden.“
In dem vom Deutschen Bergbau-Museum in Bochum herausgegebenen Band „Zwangsarbeiter im Ruhrbergbau während des Zweiten Weltkrieges“ heißt es über sowjetische Kriegsgefangene: „Die Überlebenden, die Anfang 1942 stark unterernährt und in einem desaströsen Gesundheitszustand auf den Zechen eintrafen, waren der schweren Arbeit im Bergwerksbetrieb in keiner Hinsicht gewachsen.“
Nach Kriegsende wohnten junge Bergleute in den Barackenlagern
Trotz dieser barbarischen Zustände hat es auch auf Zollverein Mitmenschlichkeit gegeben. So mancher hat dafür Kopf und Kragen riskiert. „Mein Schwiegervater hat russischen Gefangenen heimlich ein Butterbrot zugesteckt, und er war bei weitem nicht der einzige“, sagt Geppert. Aus Augenzeugenberichten jener Jahre weiß Heinz Geppert ferner, dass auch ukrainische Frauen auf Zollverein gearbeitet haben. „Sie trugen ein gelbes Schild mit dem Aufdruck Ost und wurden am Leseband von Schacht 12, in der Kohlenwäsche und im Kesselhaus eingesetzt.“
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Befreiung der Gefangenen haben die Barackenlager auf Zollverein nicht lange leer gestanden. Um den Bergbau und damit die Wirtschaft wieder flott zu machen, wurden händeringend Arbeitskräfte benötigt. Geppert: „Das Barackenlager von Schacht 4 etwa wurde für Kriegsheimkehrer umgebaut.“ Die von Junggesellen bewohnten Heime hießen im Kumpel-Jargon „Bullenklöster“.