Essen. 2010 eröffnet im Universitätsklinikum das neue Strahlentherapiezentrum - für die Region soll es Maßstäbe setzen. In der so genannten Gantry werden Krebspatienten mit Protonenstrahlen behandelt. Das Therapiezentrum wird über vier solcher Behandlungsplätze verfügen.
Grün ist die Hoffnung. Die farbliche Gestaltung der Fassade des neuen Therapiezentrums ist also treffend gewählt. Denn mit dem Neubau auf dem Gelände des Universitätsklinikums dürften viele Krebspatienten die Hoffnung auf Heilung und Genesung verbinden. Für 140 Millionen Euro entsteht am Rande des Grugaparks ein Behandlungszentrum, das in der Region Maßstäbe setzt. Mitte kommenden Jahres sollen hier die ersten Patienten mit Protonenstrahlen behandelt werden.
Strahlentherapie mit Protonen - das kennt man bislang vor allem aus den USA. In Europa hingegen gibt es bislang nur wenige Therapiezentren dieser Art, nicht zuletzt aus finanziellen Gründen. Begleitet von großem medialen Interesse eröffnete jüngst in Heidelberg ein solches Zentrum. Auch in München werden Krebspatienten mit Protonen bestrahlt. Anders als in Essen handelt es sich dort allerdings um eine privat geführte Einrichtung. In Magdeburg und Kiel sind weitere Zentren geplant.
Technik noch in Entwicklungsphase
Im Uni-Klinikum sollen Behandlung und Forschung Hand in Hand gehen. Erste Versuche mit Protonenbestrahlung gehen bis in die 40er Jahre zurück. Damals war die medizinische Anwendung nicht mehr als ein Abfallprodukt physikalischer Großversuche, erläutert der Strahlenmediziner Dr. Andreas Kaiser. Trotz inzwischen erfolgreicher Anwendungen sei die Technik noch in der Entwicklungsphase. Der Vorteil gegenüber einer herkömmlichen Krebstherapie, bei denen Tumore mit Photonenstrahlen „beschossen“ werden, besteht darin: Mit Protonen lassen sich Tumore wesentlich zielgenauer behandeln, erläutert Professor Martin Stuschke, Direktor der Klinik für Strahlentherapie. Protonenstrahlen lassen sich so justieren, dass sie weder über das Ziel hinaus schießen, noch gesundes Gewebe treffen. „Kollateralschäden“ lassen sich somit praktisch ausschließen. Für den Patienten bedeutet das: unerwünschte Nebenwirkungen sind weitaus geringer.
Davon profitieren sollen vor allem jene Krebspatienten, die an Tumoren leiden, denen bislang mit Strahlen nur schwer oder gar nicht beizukommen ist - an Tumoren in der Lunge zum Beispiel oder an Gehirntumoren. Auch Kinder, die an Krebs erkrankt sind, lassen sich mit dieser neuen Form der Strahlentherapie leichter behandeln. Kinder sind noch im Wachstum, Gewebeschäden durch „streuende“ Strahlen also folgenschwerer als bei Erwachsenen. Bevor ein Tumor „unter Feuer“ genommen wird, muss der Fremdkörper genau vermessen werden; nur dann lässt sich der Protonenstrahl genau justieren. Dieses so genannte scanning bereitet noch Schwierigkeiten, vor allem bei Tumoren, die sich bewegen, etwa Lungentumore beim atmen. Spezialisten aus den USA arbeiten daran.
300 Tage im Jahr in Betrieb
Bis zu 2000 Krebspatienten pro Jahr sollen in dem neuen Zentrum bestrahlt werden. Die Einrichtung wird mehr als 300 Tage im Jahr in Betrieb sein, täglich 18 Stunden lang. Es gebe keinerlei monetäres Interesse, betont das Uni-Klinikum, dennoch geht es angesichts einer 140 Millionen Euro teuren Investition auch darum, die Kosten einzuspielen. Zumal eine Protonentherapie etwa drei Mal so teuer ist wie eine bislang übliche Krebsbestrahlung.
Das Strahlenzentrum sei eine Einrichtung „für Patienten dieser Region“, unterstreicht Professor Martin Stuschke. Mit anderen Worten: Auch normalsterbliche Kassenpatienten bekommen die modernste Form der Strahlenbehandlung. Entsprechende Verträge mit großen Krankenkassen seien unter Dach und Fach, mit anderen Kassen werde noch verhandelt.
Feine Unterschiede zu privaten Versicherungen gibt es dann aber doch. Die Kassen legen fest, bei welcher Art Krebs sie die Kosten für die Strahlentherapie übernehmen und bei welchen nicht. Brustkrebs zum Beispiel zähle nach dem Stand der Dinge nicht dazu, so Dr. Kaiser. Begründung: Die Nebenwirkungen seien auch bei einer herkömmlichen Bestrahlung gering.