Essen-Bergerhausen. . Helfer in Bergerhausen wollen ihre Arbeit fortsetzen, wenn die Stadt die Flüchtlingsunterkunft Klinkestraße schließt. Neue Räume werden gesucht.

Auf die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer in Bergerhausen kommen 2019 Veränderungen zu. Eines steht für sie aber fest: Auch wenn die Flüchtlingsunterkunft an der Klinkestraße im Frühjahr schließt, soll ihre Arbeit weitergehen. Wie genau, wollen die Helfer bei einem Treffen des runden Tisches am Donnerstag, 31. Januar, im Saal der Johanneskirche an der Weserstraße besprechen.

Seit knapp drei Jahren engagieren sich die Bürger ehrenamtlich für Flüchtlinge in ihrem Umfeld. Der runde Tisch Bergerhausen galt von Beginn an als einer der aktivsten in Essen, baute schnell effektive Hilfsstrukturen auf. Erst kümmerte sich ein Team unter der Führung des ehemaligen Pfarrers Eberhard Kerlen um die Bewohner der Unterkunft Pregelstraße. Seit diese geschlossen ist, engagieren sich Ehrenamtliche für die Bewohner des Flüchtlingsheims an der Klinkestraße. Doch auch dies gibt die Stadt in Kürze auf.

Haben als Ehrenamtliche viele neue Freunde gewonnen: (v.l.) Karin Weiß, Karin Gerhard, Ingeborg Schlottmann und Hildegard Sass.
Haben als Ehrenamtliche viele neue Freunde gewonnen: (v.l.) Karin Weiß, Karin Gerhard, Ingeborg Schlottmann und Hildegard Sass. © Vladimir Wegener

Mindestens zehn Jahre wollte die Stadt bis zu 400 Flüchtlinge in dem ehemaligen Bürogebäude unterbringen – was für Unmut bei der Bürgerinitiative sorgte, die damals gegen die Pläne der Verwaltung kämpfte. Angesichts gesunkener Flüchtlingszahlen kommt das Aus für die Unterkunft Klinkestraße nun viel früher.

Auf die Helfer kommt deshalb eine neue Herausforderung zu: Sie müssen neue Räumlichkeiten für ihre Angebote suchen, müssen viel dezentraler arbeiten und die Flüchtlinge gegebenenfalls in ihren inzwischen bezogenen eigenen Wohnungen betreuen. Das sei oft auch mit weiteren Wegen verbunden, befürchten die Helfer. Ob man die Flüchtlinge, die von Bergerhausen ins ehemalige Kloster in Schuir umzögen, weiter betreuen könne, sei fraglich. „Das ist einfach zu weit weg und schlecht erreichbar“, finden die Bergerhauserinnen.

Helfer und Flüchtlinge werden oft zu Freunden

Sie bedauern deshalb die Entscheidung der Stadt in Sachen Klinkestraße. „Wir verstehen, dass die Stadt Heimkapazitäten abbauen möchte. Bedauerlich ist, dass mit der Klinkestraße ein Heim im Essener Süden geschlossen und damit die gut funktionierende ehrenamtliche Helferstruktur in Frage gestellt wird“, heißt es seitens des runden Tisches. Ob man Räume der evangelischen Gemeinde Bergerhausen nutzen könne, kläre man derzeit. Es seien im Laufe der Jahre echte Freundschaften zu den Flüchtlingen entstanden, die man auf jeden Fall weiter pflegen werde.

Olaf Kudling, Organisator des runden Tisches Bergerhausen, vor der Flüchtlingsunterkunft Klinkestraße.
Olaf Kudling, Organisator des runden Tisches Bergerhausen, vor der Flüchtlingsunterkunft Klinkestraße. © Vladimir Wegener

„Unsere Arbeit wird auf jeden Fall weiter benötigt, denn auch Flüchtlinge in eigenen Wohnungen haben viele Alltagsprobleme, bei denen wir sie unterstützen können“, sagt Hildegard Saß. Die 70-Jährige war früher Deutschlehrerin und gibt auch an der Klinkestraße Deutschunterricht. Bei aller Freude über Flüchtlinge, die ihre Deutschkenntnisse möglichst schnell verbessern wollen, hat Hildegard Saß auch Frustmomente erlebt: wenn männliche Flüchtlinge sich weigerten, sich von einer Frau unterrichten zu lassen oder Kursteilnehmer ohne Absage einfach nicht mehr kämen. So etwas habe sie vorher nie erfahren.

Nicht jeder hat Anspruch auf einen Deutschkurs

„Je nach Status haben die Menschen keinen Anspruch auf einen offiziellen Deutschkurs und sind auf Angebote wie unsere angewiesen“, sagt Hildegard Saß. Insgesamt gebe es 15 Ehrenamtliche, die sich um den Sprachunterricht kümmerten. Es mache sie stolz, wenn ihre „Schüler“ schließlich die Deutschprüfung beständen, einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz anträten. Die Aufgaben hätten sich im Laufe der vergangenen Jahre verändert, findet Hildegard Saß. So sei heute statt reinem Sprachunterricht eher Unterstützung im Alltag gefragt, zum Beispiel die Begleitung zu Ämtern oder die Hilfe beim Ausfüllen von Formularen.

Die Sprachkenntnisse im Gespräch verbessern können die Besucherinnen des Erzählcafés, das Karin Gerhard (76) jeweils freitags für zwei Stunden anbietet. Die ehemalige Leiterin des Dore-Jacobs-Berufskollegs weiß, dass viele Flüchtlinge dazu Post von Behörden mitbringen, die sie nicht verstehen. Da bleibt es nicht aus, dass Karin Gerhard und ihre Mitstreiterinnen inzwischen zu echten Expertinnen im Umgang mit Ämtern geworden sind.

Kinderbetreuung wird in der Flüchtlingshilfe wichtiger

„Vieles habe ich früher selbst nicht gewusst, weil ich nie mit der Ausländerbehörde, dem Job-Center oder dem Sozialamt zu tun hatte. Aber man kann sich ja irgendwie einarbeiten“, ist sie überzeugt. Sowohl beim Deutschunterricht als auch beim Erzählcafé sei es wichtig, dass die Kinder der Frauen zeitgleich betreut würden, sonst sei ein konzentriertes Arbeiten oder Sprechen nicht möglich, beschreibt sie den anderen Schwerpunkt der Ehrenamtlichen. Kinderbetreuung gehört inzwischen auch zu den Hauptaufgaben von Karin Weiß (71) und Ingeborg Schlottmann (76).

Die gelernte Kinderkrankenschwester und die ehemalige Gemeindehelferin beraten seit Jahren Flüchtlinge in der Unterkunft Klinkestraße bei kleineren medizinischen Problemen, kümmern sich um Schwangere und Mütter mit Babys, klären in Sachen Hygiene, Säuglingspflege und Ernährung auf – und passen auf die Kleinen auf, wenn die Mütter gerade anderweitig beschäftigt sind.

Netzwerk im Stadtteil soll bestehen bleiben

Dass die bestehenden Hilfsstrukturen im Stadtteil erhalten bleiben, davon geht Olaf Kudling, Organisator des rundes Tisches Bergerhausen, aus. Der Kreis sei zwar aus der evangelischen Gemeinde heraus angestoßen worden, sei aber eine Institution des gesamten Stadtteils.

Inzwischen habe sich die Zahl der Aktiven von etwa 100 auf rund 50 halbiert. Dass sich die Arbeit für die Helfer verändert habe, sei klar. Von den rund 20.000 Flüchtlingen in Essen lebten derzeit weniger als 700 in städtischen Unterkünften, das seien gerade einmal 3,5 Prozent, erklärt Kudling. „Das bedeutet natürlich, dass die eigentliche Integrationsarbeit in den Stadtteilen stattfinden muss.“ Zentraler Punkt bleibe der auf ehrenamtlicher Basis organisierte Deutschunterricht, denn auf die von der Stadt angebotenen Kurse habe nicht jeder Anrecht oder bekomme keinen Platz oder wolle einfach freiwillig mehr tun, um möglichst schnell Deutsch zu lernen. „Wichtig ist auch die Hausaufgabenhilfe, denn im Gegensatz zu deutschen Kindern bekommen Flüchtlingskinder zu Hause oft keine Hilfe“, sagt Kudling.

Aktionen bringen die Menschen im Stadtteil zusammen

Gerne blicke er auf die verschiedenen Aktionen zurück, die aus dem Aktivenkreis in Bergerhausen entstanden seien und die für viele Kontakte zwischen Flüchtlingen und Bergerhausern gesorgt hätten. Dazu gehörten Ausflüge, Sommerfeste und Adventsfeiern. Besonders ermutigend sei es, wenn sich Flüchtlingen, die erst die Angebote genutzt hätten, später selbst engagierten und wiederum anderen helfen könnten.

„Mit der Schließung des Hauses an der Klinkestraße verlieren wir drei Räume für Deutschkurse und Hausaufgabenhilfe, einen Raum fürs Erzählcafé und einen für die Spielgruppe“, so Kudling. Man müsse sehen, wie man dafür Ersatz beschaffen könne. Infrage kämen Räume der katholischen und evangelischen Gemeinde, der Grundschulen, der Arbeiterwohlfahrt. Wenn man in Bergerhausen nicht fündig werde, würden sich vielleicht Möglichkeiten in der Innenstadt ergeben.

Das nächste Treffen findet am 31. Januar statt

Beim Treffen des runden Tisches Bergerhausen am Donnerstag, 31. Januar, 19.30 Uhr, im Saal der evangelischen Gemeinde Bergerhausen an der Weser-/Ecke Elbestraße soll es nicht nur um die Raumfrage, sonder auch um Ideen gehen, wie man das so gut funktionierende Netzwerk im Stadtteil erhalten könne. „Ich habe viele Signale erhalten, dass es weitergehen wird“, sagt der Organisator.