Essen. . Hindenburg soll in Städten runter von Straßenschildern. In Essen scheiterte das bisher, auch weil Bürger in einem Fall schon mal Grenzen setzten.
Straßen, die vor langer Zeit nach Paul von Hindenburg benannt sind, gibt es in vielen deutschen Städten – auch in Essen. Und die Initiativen, den letzten Reichspräsidenten der Weimarer Republik von den Straßenschildern zu verbannen, sind mittlerweile ebenfalls zahlreich. In Münster gab es einen (erfolgreichen) Bürgerentscheid, aktuell tobt in Hannover ein Kulturkampf, weil ein Stadtteilparlament beschloss, den Namen zu tilgen. Auch in Essen gab es schon Bestrebungen, die Hindenburgstraße umzubenennen, im Jahr 2009 verlief eine Initiative aber im Sande.
Grünen-Ratsherr Walter Wandtke, angesprochen auf den Fall Hannover, hält eine Umbenennung jedoch weiterhin für erforderlich. „Hindenburg hat eine aktive Rolle bei der Etablierung der Diktatur gespielt.“ Und er sei keineswegs 1933 und 1934 von altersbedingter Senilität geplagt gewesen, wie es in der Geschichtswissenschaft lange entschuldigend hieß.
Was tun? Mit Streit um Straßennamen hat Essen einige Erfahrung. Im Jahr 2013 gab es in Rüttenscheid einen erbitterten Kampf um Von-Seeckt- und Von-Einem-Straße, die von der Bezirksvertretung umbenannt wurden. Ein Bürgerentscheid kippte schließlich das Vorhaben, die beiden Generäle blieben auf den Schildern. Auch im Rahmen dieses Konfliktes spielte die Hindenburgstraße noch einmal eine Rolle - jedoch vergeblich, wieder konnten sich die Grünen nicht durchsetzen.
Den Grünen sitzt diese Erfahrung noch in den Knochen, weshalb Wandtke im Fall Hindenburg erst einmal abwarten will, ob sich weitere Stimmen pro Umbenennung melden. „Wir hatten der SPD damals angeboten, zusammen zu versuchen, die Hindenburgstraße in Gustav-Heinemann-Straße umzubenennen“, so Wandtke. Schließlich gebe es für diesen Essener Demokraten immer noch keine Ehrung in seiner Heimatstadt, sehe man einmal ab von einer Gesamtschule. Auch weil Umbenennungen wegen des hohen Aufwands bei Anwohnern unbeliebt sind, wurde damals aber davon abgesehen, Hindenburg vom Schild zu nehmen.
„Wir haben andere Probleme als dieses Umbenennungs-Gedöns“
Die Erinnerung an die Bürgerentscheid-Niederlage von 2013 dürfte den Eifer nicht gerade befeuert haben. Und das, so Frank Mußhoff, SPD-Bezirksbürgermeister und Vorsitzender der Bezirksvertretung Innenstadt, sei auch ganz richtig so: „Wir haben wahrlich andere Probleme als dieses Umbenennungs-Gedöns.“ Hindenburg habe historisch keine gute Rolle gespielt, das sei unbestritten. „Dennoch würde ich da pragmatisch und nicht ideologisch vorgehen“, so Mußhoff.
So sieht es auch Hans Schippmann, früher Ratsherr der CDU und Geschichtslehrer am Gymnasium Luisenschule, heute Vorsitzender des Historischen Vereins Essen. „Die Auseinandersetzung ist richtig, aber nicht die Streichung des Namens“, sagt Schippmann. In der deutschen Geschichte geben es neben politischen Verbrechern und positiven Figuren auch viele, deren Handeln aus heutiger Sicht zwiespältig zu betrachten sei – darunter auch Hindenburg. „Sollen wir die jetzt alle von den Straßenschildern holen?“, fragt Schippmann. In Essen wurde der Reichspräsident im Übrigen nicht durch die Nazis, sondern bereits 1927 geehrt, als seine Steigbügelhalterfunktion noch fern lag.
Der frühere Stadtarchivar Klaus Wisotzky hält Hindenburgs Ende für erforderlich
Dem hält der früherer Stadtarchiv Klaus Wisotzky das klassische Argument aller Umbenennungs-Initiativen entgegen: „Straßennamen hatten zu allen Zeiten den Zweck, Menschen für ihre Verdienste zu ehren.“ Gerade nicht gehe es um Aufarbeitung oder bloß wertneutrale Erinnerung. Verdienste aber seien bei Hindenburg nicht zu erkennen, im Gegenteil hätten neuere Forschungen erhärtet, wie zielstrebig er auf die Zerstörung der Demokratie und die Etablierung der Diktatur hinarbeitete und dabei Hitlers NSDAP als vielleicht etwas unappetitliches, aber doch geeignetes Instrument ansah.
Er wolle aus dem Ruhestand heraus eigentlich keine guten Ratschläge geben, bemerkt Wisotzky. Aber die Umbenennung der Hindenburgstraße gehöre zu den Initiativen in Essen, die bei der Aufarbeitung der NS-Zeit noch ausstünden. So wie es Hannover derzeit zu Recht ebenfalls praktiziere.
Ob dies dort gelingt, ist allerdings offen. Eine Bürgerinitiative kämpft, wie 2013 in Rüttenscheid, erbittert gegen die Umbenennung.