Essen. Allergische Kollegen, ängstliche Kunden, skeptischer Chef: Wirtschaftsjuristin Stefanie Richter berät Unternehmen rund um Hunde am Arbeitsplatz.
„Was machst Du nur mit dem Hund“, schoss es Stefanie Richter (42) durch den Kopf, als vor fünf Jahren ein neues Jobangebot vor ihr lag. Bis dahin hatte sie ihren Terrier Fine mitgenommen. Nun galt es, das dem neuen Chef zu erklären, ihm die Vorteile des Vierbeiners im Büro zu erläutern. Beim Blick ins Internet entdeckte die Wirtschaftsjuristin rasch, dass es vielen ähnlich geht. So hat Stefanie Richter nun tatsächlich einen neuen Job: Sie berät deutschlandweit Halter und Unternehmer rund ums Thema Hunde am Arbeitsplatz: „Denn Bürohunde boomen.“
2014 hat sich die Frohnhauserin und zweifache Hundehalterin mit Hundetrainer Marc Engelhardt an ihrer Seite selbstständig gemacht und ist auf allen Gebieten tätig, „wo Menschen Beruf und Hunde verbinden.“ Ob Kita, Schule, Altenheim, Lebensmittelbranche oder Logistikunternehmen – vom Familienbetrieb bis zum Großkonzern lautet ihre Aufgabe: Bedingungen zu schaffen, die alle Interessen und Bedürfnisse berücksichtigen. Das schließt ängstliche Kollegen, allergische Kunden, den richtigen Schlafplatz für den Vierbeiner sowie arbeitsrechtliche Aspekte ein.
Während Stefanie Richter, die schon als Kind mit Hunden lebte, die Beratung in all diesen Belangen übernimmt, ist Marc Engelhardt für das Training verantwortlich. Bei Bedarf kommen Tierärzte, Allergologen, Umweltmediziner, Hygienefachleute und Pädagogen sowie Hundetagesstätten hinzu. Wenn die beiden Terrier von Stefanie Richter sie nicht bei der Arbeit begleiten können, bleiben sie in Frohnhausen bei der Familie.
Im Berufsalltag stoßen die Hundespezialisten dann in der Praxis auf Unternehmer, die von Anfang an alles richtig machen wollen, wenn sie Vierbeiner am Arbeitsplatz erlauben.
Aber sie begegnen auch Problemfällen. Die treten etwa auf, wenn der kleine Doggenmischling als ausgewachsener Hund das Büro nur noch mit Frauchen teilen mag. Empfehlung zu bürotauglichen Rassen gibt es jedoch nicht, denn auch ein Jagdhund könne ein geeigneter Begleiter im Beruf werden, wenn er nur vor Arbeitsbeginn entsprechend ausgelastet werde. „Dann verhalten Hunde sich tiefenentspannt und können vier Stunden bis zur Pause ruhen“, erklärt die 42-Jährige den Regelfall. Lilly scheint ihren Büroschlaf jedenfalls zu bekommen: Die kleine Hündin begleitet Herrchen Muris Podrug an seinen Arbeitsplatz im Malteserstift St. Bonifatius in der Innenstadt.
Ein ruhiger Schlafplatz sei ein wichtiges Kriterium, da der Hund eine Rückzugsmöglichkeit brauche. Und für alle gebe es den Bürohunde-Knigge, um den Alltag stressfrei zu gestalten. Dazu zählt, dass Hunde auf Fluren oder in Treppenhäusern angeleint bleiben. Küche und Toilette sind Tabuzonen. Kollegen wiederum sollten die Tiere nicht mit Leckerchen locken und nur nach Absprache streicheln. Halter müssen dafür sorgen, dass ihr Hund den Arbeitsablauf nicht stört und verpflichten sich zudem, den Liegeplatz sauber zu halten sowie nur abgestimmte Eingänge zu benutzen – das legt etwa ein Rahmenvertrag fest.
Skeptische Arbeitgeber überzeugt
„Eine Erlaubnis nutzt nichts, wenn die Strukturen fehlen“, weiß die Beraterin aus Erfahrung. Denn es gebe viele Komponenten, die passen müssten, sagt Stefanie Richter, daher geht sie auf Chefs, Betriebsräte wie Kollegen zu: „Immerhin handelt es sich um das Arbeitsumfeld, das erfordert einen professionellen Rahmen.“
Und so setzt sie nicht auf den Niedlichkeitsfaktor, um Arbeitgeber zu überzeugen, sondern argumentiert mit dem Nutzen auch für diesen. Dafür zieht sie Studien heran, die belegen sollen, dass Hunde für weniger Fehltage der Halter sorgen, weil diese zum Beispiel durch Bewegung gesünder leben. Weniger Stress, bessere Atmosphäre und die Möglichkeit, qualifizierte Mitarbeiter mit Hund zu binden, nennt sie weitere positive Effekte.
Die Vorteile ihres neuen Arbeitsfeldes liegen ebenso auf der Hand, sagt die Wirtschaftsjuristin: „Ich berate weiterhin und habe diese Aufgabe mit meiner privaten Leidenschaft verbunden.“ Gescheitert seien sie bislang in keinem Unternehmen, vielmehr seien inzwischen sogar skeptische Arbeitgeber auf den Bürohund gekommen. Sie gesteht aber, selbst etwas überrascht zu sein, dass ihre Selbstständigkeit so schnell zum Hauptberuf wurde. „Der Bedarf ist riesig, allerdings mussten die Kunden und wir erst zusammenfinden“, sagt Stefanie Richter, für die sich nun in Job und Freizeit vieles um die Vierbeiner drehe. Denn nach Feierabend warten ihre Hunde.