600 Kinder sind im vergangenen Jahr vor der 37. Schwangerschaftswoche in Essen geboren worden. Ihre Überlebenschancen sind heute deutlich größer.
Als Diego in der 25. Schwangerschaftswoche auf die Welt kam, wog er gerade mal 580 Gramm, oder, wie sein Vater Christoph Warzecha gerne sagt, „etwas mehr als zwei Stück Butter“. Heute merkt man dem einstigen Frühchen, um dessen Leben die Ärzte und Schwestern der Uniklinik vier Monate lang kämpften, und der nächste Woche seinen fünften Geburtstag feiert, nichts mehr an. „Diego hat sich normal entwickelt, ist ein kleiner frecher Junge, der alle bezaubert“, sagt seine Mutter Barbara Warzecha und strahlt.
Gemeinsam mit vielen anderen ehemaligen Frühchen und deren Eltern ist die Familie Warzecha, zu der mittlerweile auch der einjährige Mailo zählt, zum Weltfrühchentag in den Grugapark gekommen. Dort stehen 600 beleuchtete lila Ballons auf der Kranichwiese, „einer für jedes Frühchen, dass 2017 in Essen geboren wurde“, erklärt die Oberärztin Britta Hüning, die in der Kinderklinik für die Neonatologie und den Bereich Entwicklungsneurologie zuständig ist.
Der Tag wird weltweit begangen
Weltweit wird dieser Tag begangen, um das Leben und auch den medizinischen Fortschritt zu feiern. Denn vor 20 Jahren waren die Überlebenschancen für ein extreme Frühgeburt wie in Diegos Fall noch weitaus geringer. „Heute können wir in den spezialisierten Perinatalzentren diese Kinder sehr professionell versorgen“, so Britta Hüning. Die moderne Medizin macht es zum Beispiel möglich, dass weitaus weniger Frühgeborene voll beatmet werden müssen, sondern stattdessen eine Atemunterstützung erhalten. Ganz zu schweigen von dem übrigen Wissen rund um die Behandlung und Betreuung der Frühchen, deren Start ins Leben immer ein besonders schwerer ist.
Davon kann die Kinderkrankenschwester Karolin Schäfer viel erzählen. Seit fünf Jahren arbeitet sie auf der neonatologischen Intensivstation der Uniklinik und begleitet dort nicht nur die Kinder, sondern auch deren Eltern. „Viele sind im ersten Augenblick geschockt und überfordert, wenn sie ihre winzigen Kinder im Inkubator sehen, angeschlossen an Schläuche und Apparate“, erzählt sie. „Wir versuchen, ihnen Ängste zu nehmen und sie quasi in ihr verfrühtes Elterndasein einzuführen.“ Denn Körperkontakt und Liebe sind für das Überleben mindestens genauso entscheidend, wie die medizinische Versorgung.
Die ersten Tage waren schwer auch für die Eltern
Wenn Barbara Warzecha über die ersten Monate in Diegos Leben spricht, wird ihre Stimme ganz rau. „Wir waren Tag und Nacht bei ihm, haben gehofft, gebetet und gebangt. Das waren ganz schwere, dunkle Stunden.“ Auch wenn Diego sich tapfer ins Leben gekämpft hat und heute so unbekümmert und fröhlich über die Wiese tollt, bleibt bei den Eltern immer die Sorge, dass sein schwerer Start doch noch spätere Folgen haben könnte. Dabei zeigen die regelmäßigen kognitiven und motorischen Untersuchungen, dass der Vierjährige ein ganz kluger Kopf ist, der von sich selbst sagt: „Ich will später Professor werden.“
>>>>>Gründe für die Frühgeburt
Von einer Frühgeburt spricht man, wenn ein Kind vor der abgeschlossenen 37. Schwangerschaftswoche zur Welt kommt.
Häufige Gründe für eine Frühgeburt sind Mehrlinge, Diabetes der Mutter, ein vorzeitiger Blasensprung, eine Schwangerschaftsvergiftung, eine Infektion, eine Muttermundschwäche oder eine Plazentafehllage.