Essen. . Beim Bürgerforum „Wo wollen wir wohnen“ haben 570 zufällig ausgewählte Essener neue Wohnbauflächen ausgewählt. Wichtig ist ihnen das Grün.
Grün in der Stadt und ein naturnahes Wohnumfeld haben für die Essener einen hohen Stellenwert. Neue Wohnungen sollten deshalb vorrangig auf Brachflächen und auf bereits versiegeltem Boden entstehen. Das ist die Quintessenz des Bürgerforums „Essen ist gefragt! Wo wollen wir wohnen“, zu dem Oberbürgermeister Thomas Kufen am Samstag in die Messe Essen geladen hatte.
570 Essener Bürgerinnen und Bürger, die nach dem Zufallsprinzip ausgewählt worden waren, diskutierten mehr als sechs Stunden darüber, wo neue Wohnungen entstehen könnten. Darunter ebenso die junge Mutter, die mit Mann und Kindern auf 50 Quadratmetern in Holsterhausen lebt, die Akademikerin aus Bergerhausen, die mit ihrer Familie gerne in Rüttenscheid geblieben wäre, sich dort die teuren Wohnungen aber nicht mehr leisten kann und auch der Herr im fortgeschrittenen Alter, der fürchtet, dass seine Rente bald nicht mehr für die Miete reichen könnte.
„Ich finde toll, dass ich mich beteiligen konnte“ (Walter Schneider, Bürger aus Rellinghausen)
Es war ein bunter Querschnitt durch die Stadtbevölkerung, der da zusammen gekommen war. Und die allermeisten dürften es so gesehen haben Wie Walter Schneider aus Rellinghausen: „Ich finde toll, dass ich mich beteiligen konnte.“
Die Stadtverwaltung probierte damit erstmals eine neue Herangehensweise an ein durchaus sensibles Thema. Wenn das der Gradmesser für den Erfolg der Veranstaltung seien sollte: Fast alle Bürger blieben bis zum Schluss.
Wo also sollen neue Wohnungen gebaut werden? Dass sie gebaut werden müssen, steht außer Frage. Ob es bis zum Jahr 2030 tatsächlich 16.500 sein müssen, wovon die Stadtverwaltung ausgeht, oder ob es weniger tun, wie der Stadtplaner Michael Happe aus Werden meint, bleibt umstritten.
Happe warf der Stadt vor, am Bedarf vorbei zu planen und verwies auf die vielen schicken neuen Eigenheime und Eigentumswohnungen in Rüttenscheid und im Essener Süden. Ein Eindruck, den Dirk Miklikowski, Geschäftsführer der Allbau AG, indirekt bestätigte: Die städtische Wohnungsgesellschaft gebe für Baugrundstücke gar keine Gebote mehr ab, wenn sich dafür auch private Investoren interessierten. Mit den Preisen, die Projektentwickler aufriefen, könne der Allbau nicht mithalten, so Miklikowski. Der Allbau konzentriere sich deshalb auf den Bau öffentlich geförderter Wohnungen – und könne den Bedarf bei weitem nicht decken.
Benötigt werde vor allem Wohnraum für Familien, für Senioren, für Behinderte und für sozial Schwächere und auch Flüchtlinge. Für Menschen, die nicht jeden Preis bezahlen können. Auch das wurde im Bürgerforum deutlich.
In Kleingruppen befassten sich die Bürger schließlich mit konkreten potenziellen Bauflächen. Die Gruppen wurden bewusst so zusammengesetzt, dass die Teilnehmer nicht in der Nachbarschaft der Fläche wohnen, mit der sie sich auseinandersetzen, sondern in einem ganz anderen Stadtteil. Die Bürger sollten möglichst unvoreingenommen an die Sache herangehen.
Die Verwaltung hatte 93 Flächen ausgewählt. Alle Stadtbezirke waren vertreten.
93 Flächen, die für den Wohnungsbau in Frage kommen, hatte die Verwaltung zuvor ausgewählt. Die einzelnen Kleingruppen legten dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit fest, welche Priorität sie „ihrer“ Fläche für eine Bebauung einräumen. Sollte die Stadtverwaltung sich vorrangig damit beschäftigen? Oder sollte sie dort eine Bebauung erst einmal zurückstellen?
Am Ende entstand ein Bild, das so aus sah: Priorität für eine Bebauung räumen die Bürger eher Flächen im Norden, im Nordwesten und auch im Osten der Stadt ein. Eben dort wo es Flächen gibt, die bereits versiegelt sind, aber nicht mehr genutzt sind. Den Stadtbezirk IX – Kettwig, Werden und Bredeney – sparten die Bürger zunächst komplett aus. Geeignete Flächen gäbe es zwar auch dort, doch sollte sich die Verwaltung zunächst andere annehmen. „Essen soll eine grüne Stadt bleibt“, sagt Udo Wippermann, der selbst in Altenessen wohnt, und gab damit wohl die Meinung der breiten Mehrheit im Saal wieder.
Sollte der Essener Süden erst einmal ausgespart werden, dürfte die nun anstehende politische Diskussion nicht einfach werden, gab ein Bürger zu bedenken. Oberbürgermeister Thomas Kufen versteht das Ergebnis des Bürgerforums nach eigenen Worten dennoch als Arbeitsauftrag. Im kommenden Jahr hat die Politik das Wort. Erst dann die Verwaltung die ausgewählten Flächen öffentlich machen – damit das Ergebnis des Bürgerforums nicht vorher zerredet wird.