Essen. . Vom Diesel-Fahrverbot sind in Essen rund 80.000 Autos betroffen. Sie gehören Unternehmern, Eltern, Rentnern, Alleinstehenden. Wir haben mit ihnen gesprochen.

Vom geplanten Fahrverbot für Diesel-Fahrzeuge wären in Essen rund 80.000 Autos betroffen – Pkw und Laster. Den schwarzen Peter haben plötzlich nicht nur Betriebe, sondern Familienväter und -mütter, Senioren und andere ganz normale Bürger. Eine Auswahl an Stimmen am Tag nach dem schockierenden Urteil des Gelsenkirchener Verwaltungsgerichts.

Was eine Familie sagt

Die Geblers aus dem Südviertel fahren einen 14 Jahre alten Mercedes Kombi, C-Klasse, vor vier Jahren gebraucht erworben. „Er hat eine grüne Plakette, wir dachten, das Auto ist sauber“, sagt Kim Gebler (32). „Und jetzt sollen wir mal eben ein neues Auto bezahlen?“ Ihr Mann arbeitet als Wirtschaftsingenieur in Düsseldorf, sie selbst geht noch an die Uni „und kann entsprechend erst mal nicht großartig zum Einkommen beitragen.“

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Bezahlt werden muss der Lebensunterhalt für eine vierköpfige Familie: Die Söhne der Geblers sind zwei Jahre und vier Monate alt – die Kita-Gebühren sind einer der größten Posten im Haushalt. „Wir sind echt sauer.“ Für ihren Mercedes bekommen sie nichts mehr: „Haben Sie mal bei ,Ebay Kleinanzeigen’ geschaut, wie viele Diesel da angeboten werden?“

Was ein Umzugs-Unternehmer sagt

„Sollen wir demnächst Pferde-Droschken fahren, oder was?“ Helmut Laabs, Geschäftsführer des Traditionsunternehmens „Mühlenbeck Umzüge“ im Annental, kann seinen Sarkasmus kaum verbergen. „Mir fehlen wirklich die Worte. Kein Mensch wird mehr Umzüge durch Essen realisieren können.“ Mühlenbeck unterhält neun Fahrzeuge, nur zwei davon erfüllen die Euro-6-Norm, die vom Fahrverbot nicht betroffen ist. Die Spedition, seit 1979 in Essen beheimatet, ernährt 25 Mitarbeiter.

Was eine Einzelhändlerin sagt

Alexandra Wagner, Managerin des Einkaufscenters Limbecker Platz, spricht von einem „Drama“. Täglich werden die 200 Läden im Center von Lkw beliefert, fast jeder zweite Kunde kommt mit dem Auto zum Einkauf. „Wir verlieren im Wettbewerb mit Läden auf der grünen Wiese“, befürchtet Wagner. Vor allem aber treibt sie um, dass Menschen, die jetzt ein neues Auto kaufen müssen, dann weniger Geld haben, um es im Einzelhandel auszugeben. „Das trifft dann alle Händler gleichermaßen.“

Was eine Alleinstehende sagt

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Erzieherin Susanne Bendix aus Borbeck hat sich vor drei Jahren ihren ersten Wagen gekauft – einen Diesel. „Eigentlich müsste ich diesen Monat zum TÜV, aber ich überlege, ob sich das überhaupt noch rentiert“, berichtet die 38-Jährige. Einen neuen Wagen „kann ich mir nicht leisten.“ Die ganze Aufregung um die Abgase versteht sie nicht – obwohl sie selbst an Asthma leidet: „Meine Beschwerden lösen sich nicht in Luft auf, bloß, weil keine Dieselautos mehr fahren.“

Was ein Rentner sagt

Jürgen Bargende (84) aus Stadtwald fährt eine Mercedes A-Klasse, acht Jahre alt, und ihn stört in der Diskussion um Fahrverbote am meisten: „Dass nur über Sondergenehmigungen für Unternehmer geredet wird. Wir brauchen aber auch eine Ausnahme-Erteilung für Rentner!“ Bargende ist zu hundert Prozent schwerbehindert, erledigt drei bis vier Arztbesuche pro Woche. „Den Rollator habe ich im Auto für kurze Distanzen. Doch ich bin, wie so viele andere Senioren auch, auf mein Auto angewiesen. Und wer kann sich als Rentner mal eben einen neuen Wagen erlauben?“

Was ein Gebrauchtwagenhändler sagt

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Von Wolfgang Kintscher, Michael Mücke und Franz Wilmsen

Seit einem halben Jahr gehen bei Automobile Shahi an der Scheder-hofstraße die Umsätze zurück. „Wir mussten bereits zwei Mitarbeiter entlassen, weil wir sie nicht mehr bezahlen können“, sagt Anush Shahi (40). „Früher haben wir größtenteils Dieselfahrzeuge verkauft. Jetzt bleiben wir auf den Autos sitzen. Wenn das so weiter geht, müssen wir uns nach Alternativen umschauen.“ Vielen kleineren und mittelgroßen Gebauchtwagenhändlern drohe die Pleite.

Was ein Wochenend-Pendler sagt

Manuel Herber aus Altenessen-Nord fährt alle zwei Wochen nach Rheinland-Pfalz, um seine Kinder zu sehen. „Mit einem Diesel ist das finanziell möglich. Vor vier Jahren habe ich mir deshalb einen vermeintlich sauberen Diesel gekauft, Euro-Norm fünf.“ Wenn er jetzt für sein Auto nichts mehr bekommt, sich gleichzeitig einen neuen Wagen anschaffen muss, „dann steigen mir die Kosten über den Kopf. Die Folge ist, dass ich meine Kinder künftig seltener sehen werde.“