Das jetzige Urteil des Gelsenkirchner Verwaltungsgerichts trifft hunderttausende Menschen hart - und schießt weit übers Ziel hinaus.

Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in 18 Essener Stadtvierteln, einer Hauptverkehrsachse in Gelsenkirchen und bundesweit erstmals für eine Autobahn, die A 40. Mit seinem Urteil in Sachen Luftreinhaltung hat das Gelsenkirchener Verwaltungsgericht sicherlich mit einem Paukenschlag Rechtsgeschichte geschrieben. Zweifelhafte Rechtsgeschichte – die Hunderttausende sehr konkret und hart trifft.

Zehntausende Pendler im Revier werden sich nun fragen, wie sie denn künftig zur Arbeit kommen sollen, zehntausende Fahrzeughalter sind faktisch mit einem Schlag mehr oder weniger enteignet worden, Betriebe werden wirtschaftliche Schäden erleiden – jedenfalls sind ihre Pkw oder Transporter kaum noch etwas wert. Der Zorn der Betroffenen wird riesig sein; und das vollkommen zu recht. Abgesehen von der Tatsache, dass die Dieselfahrer bisher von Regierung und Autoindustrie in einem ziemlich miesen Schwarzer-Peter-Spiel im Regen stehen gelassen wurden – und ganz klar die Verursacher der Krise, nämlich die Autobauer endlich gerade stehen müssten, ist das Gelsenkirchener Verwaltungsgericht zu einem Urteil gekommen, das an juristische Polemik grenzt.

Grundsätzliche Zweifel an den Grenzwerten

Es ist ja nicht nur so, dass die Grenzwertsetzung und die damit theoretisch berechnete Gesundheitsgefährdung von Experten mittlerweile an sich ganz erheblich angezweifelt wird (und die interessante Frage noch zu beantworten bleibt, warum das so durchgewunken worden ist). Sondern das Leipziger Bundesverwaltungsgericht hatte im Februar entschieden, dass Fahrverbote statthaft sind, wenn dabei die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme gewährleistet bleibt. Über die Verhältnismäßigkeit des Entscheides, halbe Städte und eine Autobahn mit Fahrverboten zu belegen, muss daher in jedem Fall weiter gestritten werden. Erst recht, wenn man die Grenzwertüberschreitungen in den nun betroffenen Städten in Betracht zieht. Sie liegen fast überall nur leicht über den (sowieso umstrittenen) Limits. Und fast überall zeigen die Trends der vergangenen Monate nach unten. Die eingeleiteten Maßnahmen beginnen zu greifen. All das lässt Zweifel an der Radikalität des Richterspruchs aufkommen.

CAR-Institut-Auswertung_Korrektur.jpg

Zudem hat die Bundesregierung gerade vor einigen Tagen im Bundesimmissionsschutzgesetzes festgelegt, dass bei derlei minimalen Grenzwertüberschreitungen Fahrverbote in der Regel unverhältnismäßig seien. Das alles haben die Gelsenkirchener Richter beiseite geschoben und strikt formalistisch geurteilt. Über die Motivation kann man nur mutmaßen. Das kann man so machen – hätte man aber nicht tun müssen.

Chef der Deutschen Umwelthilfe zu den Fahrverboten im Revier

weitere Videos

    Immerhin: Der Paukenschlag war so laut, dass sich nun hoffentlich die Bundesregierung dazu aufrafft, die Verursacher der Krise in der Autoindustrie nun rabiat unter Druck zu setzen und die notwendigen Nachrüstungen für Diesel endlich durchsetzt. Und vielleicht kann man sich ja zudem nochmals dazu durchringen, bei aller Sorge um die Gesundheit der Bürger die Prozesse bei der Festlegung von Grenzwerten auf ihre Sinnhaftigkeit hin zu überprüfen.

    Dann hätte das jetzige Urteil wenigstens noch eine positive Wendung.