Essen. . Willkommen bei Essens kleinster Berufsschule: Am Dore-Jacobs-Kolleg werden Gymnastiklehrer ausgebildet. Klingt altmodisch, ist aber im Trend.

Wir hören das Wort „Gymnastiklehrer“ und denken sofort an Zeiten von Turnvater Jahn. An Männerriegen in Unterhemden, und der Sport hieß damals noch „Leibesübungen“. Wir denken an muffige Turnhallen, Matten aus Gummi, Beckenbodentraining. Und jetzt kommt Annette Kamp und sagt: „Gymnastiklehrer zu werden, ist total im Trend. Vor allem bei den Jungs. Das war vor Jahren noch nicht so.“

Willkommen bei Essens kleinstem Berufskolleg: Etwa 190 Schüler, 15 Lehrer, und das stadtweit neueste Gebäude hat das Dore-Jacobs-Kolleg auch. Vor Wochen bezog die Schule, die von einer gemeinnützigen GmbH betrieben wird, ein neues Domizil auf dem Gelände der Zeche Helene in Altenessen.

Die Schule lebt von Mundpropaganda

„Wir sind ein Kleinod in der Essener Bildungslandschaft“, sagt Annette Kamp, die Leiterin des Dore-Jacobs-Berufskollegs, „uns gibt es so nicht nochmal woanders.“ Sie betont die ausdrücklich guten Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern und die familiäre Atmosphäre – das sei durchaus etwas Besonderes unter den Berufskollegs, die ansonsten gut und gerne Riesen-Schulen sind mit 2000 Schülern, die von überall her kommen.

Annette Kamp, Leiterin des Dore-Jacobs-Kollegs.
Annette Kamp, Leiterin des Dore-Jacobs-Kollegs. © Kerstin Buchwieser

Der Nachteil: „Immer wieder müssen wir uns erklären, und wir leben von der Mundpropaganda, weil man uns sonst kaum kennt“, räumt die Schulleiterin ein. Ihren womöglich etwas exotischen Status hat das Dore-Jacobs-Berufskolleg wegen ihres ungewöhnlichen Profils: Ausgebildet werden Gymnastiklehrer, die Berufsbezeichnung ist geschützt seit 1947, die Schule existiert noch länger, seit 1925. Alles fing mal in einem Holzhaus in Stadtwald an, an der Leveringstraße, das Gebäude existiert noch heute.

Gymnastiklehrer? „Seit vier oder fünf Jahren kommen auch die Jungs“, konstatiert die Pädagogin. „Das liegt vor allem am Hip-Hop und Street Dance. Seitdem ist das Berufsbild ,Gymnastiklehrer’ unter jungen Leuten cool – zumindest dann, wenn sie sich ein bisschen vorher informieren.“

Mittlerer Schulabschluss ist nötig

Wer Gymnastiklehrer werden will, benötigt mindestens einen mittleren Schulabschluss; einer von zwei Bildungsgängen am Dore-Jacobs-Kolleg führt sogar bis zum Abitur. Vorgeschrieben sind dann die Leistungskurse Sport und Biologie; erworben wird außerdem der Übungsleiterschein mit der C-Lizenz, man darf sich dann „Gruppenleiter Freizeitsport“ nennen.

„Es kommen viele Quer-Einsteiger, die sich an den regulären Schulen wie dem Gymnasium nicht wohlfühlen“, sagt Annette Kamp. „Das hat unterschiedlichste Gründe.“

Schön und gut – aber wo arbeitet ein Gymnastiklehrer? „Das Berufsbild wird immer breiter“, sagt Annette Kamp. „Das liegt am wachsenden Gesundheits- und Medizin-Sektor.“ Spezialisierte Reha-Kliniken nehmen gerne ausgebildete Gymnastiklehrer, doch auch Kreuzfahrtschiffe und Urlaubs-Clubs brauchen Fitness-Experten für die Animation ihrer Gäste. „Fitness-Studios dagegen“, sagt die Pädagogin, „arbeiten häufiger mit weniger qualifizierten Kräften.“ Vor allem jene, die mit Billigst-Angeboten auf Kundenfang gehen.

Grundsätzlich gute Chancen in der Gesundheitsbranche

Doch weil die Menschen immer älter werden und mehr Wert auf Gesundheit legen und die Medizin-Branche in Essen mittlerweile der größte Arbeitgeber ist, stünden die allgemeinen Chancen für jene gut, die sich beruflich als Gymnastiklehrer oder Bewegungspädagogen umtun wollten.

„Ach ja“, sagt Annette Kramp, „und Spaß macht die ganze Sache auch noch.“