Essen. . Essener Kreative kokettieren mit dem Zechencharme und entwickeln pfiffige Produkte mit Kohle-Symbolen. Die neueste Schöpfung: Die letzte Schicht.
Im Dezember ist „Schicht im Schacht“ auf Prosper Haniel, die letzte Zeche im Ruhrgebiet schließt: das Ende eines großartigen Zeitalters. Eine Zäsur voller Melancholie für die einen, für andere die Chance weiterzumachen mit der Kohle. Clevere Essener Geschäftsleute kokettieren mit dem Heimatcharme des schwarzen Goldes und bieten pfiffige Produkte fernab plumper Kumpel-Romantik an: silberne Designer-Ringe und hölzerne Förderwagen, T-Shirts mit dem Label Grubenhelden und – keine Schnapsidee – einen Zeitgeist-Weizenkorn namens „Die letzte Schicht“.
Letzte Schicht – der passende Korn zum Herrengedeck
Um die Geburt eines „strammen Jungen“, des Korn namens „Die letzte Schichte“, zu verkünden, wählte Thomas Siepmann (Kommunikationsagentur TAS Emotional Marketing) und Fabian Faber (Spirituosen Banneke) eine der letzten „Vatta-Kneipen“ im Pott: die Rüttenscheider Traditionskneipe Ampütte. „Die letzte Schicht“ ist ein Korn, der ebenso auf Kohle geboren ist wie die Menschen zwischen Emscher und Ruhr. Der Weizen stammt aus der Region und gebrannt wird der Korn in der Destillerie Heinrich Habbel in Sprockhövel. Das Ergebnis: ein edler 32-Prozentiger mit bernsteinfarbenen Facetten, mild, malzig und leicht fruchtig im Geschmack. „Der Korn war der klassische Schnaps der Bergleute“, sagt Thomas Siepmann, „zusammen mit einem frischen Pils das ideale Herrengedeck.“ Zu beziehen ist „Die letzte Schicht“ – die Halbliterflasche für 24,90 Euro – bei Banneke. Die erste 6000er-Auflage ist durchnummeriert, jeden Flaschenhals ziert ein Anhänger mit einem echten Stück Kohle.
Doppelbock von Schacht XII als Ring mit Seilscheibe
Kirstin Jankowski (48) ist Goldschmiedemeisterin, Staatlich geprüfte Gestalterin und seit 2001 Mitbegründerin des Juweliergeschäfte „Zwei machen Schmuck“. Passend zum Kulturhauptstadtjahr 2010 schuf sie den „Förderturmring“, bei dem sie sich von der markanten Doppelbock-Architektur von Schacht XII inspirieren ließ. „Das Schmuckstück ist mehr ein Ringobjekt und ein bisschen sperrig wie das Ruhrgebiet“, sagt die gebürtige Osnabrückerin, die 1993 ins Ruhrgebiet kam – und gerne blieb. Das Besondere an dem elf Gramm schweren Ring aus 925er Silber sind die beiden kleinen Seilscheiben, die sich sogar drehen: Der Preis: 139 Euro. Aus dem Ring hat die Rüttenscheider Goldschmiedin längst eine kleine „Förderturm“-Linie entwickelt. Im Schaufenster liegen Anhänger, Manschettenknöpfe, Stickpins, Ohrschmuck und Schlüsselanhänger – alle mit dem typischen „Förderturm“-Symbol. „Der Förderturmring ist ein beliebtes Geschenk für Essener, die weggezogen sind und in der Ferne leben“, sagt Kirstin Jankowski. Aber auch Einheimische, die gerne zeigen wollen, dass sie auf Kohle geboren sind, tragen Schmuck aus ihrem Atelier. „Einmal kam ein Bergmann von Zollverein, der den Ring seiner Tochter geschenkt hat.“
Grubentuch „Perle“ und Loren aus Schiffsholzresten
Die improvisierte Garagen-Boutique auf der Klarastraße verrät viel über den Geschäftsmann Michael Pütz. Der Mann, der bundesweit für Schlagzeilen sorgte, als er vorschlug, Geschäftsleute sollten eine Art Eintrittsgeld verlangen, ist vor zwei Jahren mit seinem „Ideenreich & Stadt-Land-Pott“ von der Innenstadt nach Rüttenscheid gezogen. Um Ideen ist Pütz nicht verlegen. Den kleinen Förderwagen – Upcycling-Material aus original Schiffsholz-Resten – bietet er für 39,95 Euro, die größere kostet einen Zehner mehr. „Sie eignen sich als Blumenkasten oder als Geschenke-Lore.“ Den passenden Inhalt dafür bietet er selbst an. Zum Beispiel eine Tüte „Unter Tage Kaffee“, Lakritz namens „Kohleabbau“ oder die beliebten Glückauf-Gummibärchen. Von den Loren hat er in diesem Jahr schon hundert Stück verkauft – oft anlässlich runder Geburtstage. Der Klassiker in Pütz’ Ideenreich sind die „Glückauf-Tücher“ (7,95 Euro), die er eigens beschriftet: mit den Worten „Kumpel“, „Perle“ und „Pottsau“. Michael Pütz betont, dass in seinem Garagen-Job keine billigen Asien-Importe über die schmale Ladentheke gehen. Die Kumpeltasse etwa in Grubentuchoptik werde in Bottrop hergestellt. Mit dem kleinen Geschäft auf der Klarastraße ist Michael Pütz zufrieden. Dabei laufe es eher am Rande. Den Hauptumsatz erzielt er, indem er andere Einzelhandelsgeschäfte wie etwa eine große Buchhandelskette mit seinen Bergbau-Accessoires beliefert.
Grubenhelden bald auf der New York Fashion Week
Kunden, die den neuen Grubenhelden-Store betreten, werden so begrüßt, wie es die Kumpel unter Tage seit jeher tun: mit einem herzlichen Glückauf und einem freundlichen Du. Matthias Bohm (36), Gründer dieses florierenden Start-ups und von Hause aus Sportwissenschaftler, hat den ersten Store in seiner Heimatstadt Gladbeck und den zweiten neulich in Halle 12 von Zollverein, eröffnet. Auf dem Welterbegelände, das mit geschätzt 1,5 Millionen ein Touristenmagnet ist und ein internationales Publikum anlockt, fühlt er sich pudelwohl. „Kein Deckel passt besser auf den Topf als die Grubenhelden zu Zollverein“, sagt er. Demnächst wagt Bohm mit dem stylischen T-Shirt „Friedrich“ (39,95 Euro), dem Zip-Up Hoodie „Stinnes“, einem Bestseller, und anderen Grubenhelden-Kreationen den Sprung über den großen Teich, die Kollektion wird auf der New York Fashion Week präsentiert. Selbstbewusst fügt der Jung-Unternehmer hinzu: „Wir sind keine Merchandising-Bude, die einfach nur die Geschichte verramscht.“
>>> DIE BEZUGSQUELLEN
Die vier Kreativen auf dieser Seite sind nur eine kleine Auswahl derer, die im Ruhrgebiet Produktideen aus dem Bergbau und seiner faszinierenden Geschichte entwickelt haben.
Die Bezugsquellen: Ideenreich, Klarastraße 59; Grubenhelden Welterbe Zollverein (Halle 12); Zwei machen Schmuck, Rüttenscheider Platz 12; Die letzte Schicht, Banneke GmbH, Kreuzeskirchstraße 37.