Essen. „Wenn sie eine Partei wäre, würde ich austreten“, sagt Essens Caritas-Chef Björn Enno Hermans über die katholische Kirche und fordert einen Ruck.
„Wenn die katholische Kirche eine Partei wäre, dann würde ich jetzt austreten!“ Wenn kein Geringerer als der Direktor der Essener Caritas eine persönliche Abrechnung im Netzwerk Facebook mit einem solchen Satz beginnt, ist das schon ungewöhnlich, denn in dieser Position ist Katholischsein nicht ins Belieben gestellt, sondern Pflicht.
Für den bekanntermaßen streitbaren Björn Enno Hermans kam in letzter Zeit aber ein bisschen viel zusammen: der Umgang mit den Erkenntnissen der Missbrauchsstudie, der Fall eines Jesuiten-Direktors, der seinen Job verlor, weil er die Ablehnung der Homosexualität als unzeitgemäß betrachtet, schließlich das berüchtigte Wort des Papstes, der Abtreibung mit „Auftragsmord“ in Verbindung brachte – wegen dieser „und vielen weiteren Unerträglichkeiten der letzten Monate und Jahre entwickelte sich bei mir und vielen anderen eine Sprachlosigkeit, ja auch Hilflosigkeit, die schon Teil des Alltags geworden scheint“, so Hermans.
Gefordert seien in der Kirche „ein Aufschrei und ein gigantischer Ruck“
Viele treue Katholiken fragten sich, „wie sie weiter loyal zu ihrer Kirche sein können, so formulierte es eine Caritas-Kollegin. Und genau so erlebe ich das auch.“ Es brauche mehr als Betroffenheit und Bedauern. „Es braucht einen Aufschrei, einen gigantischen Ruck, der durch diese Institution fährt und eine wirkliche Erneuerung ermöglicht, die auch mit vielen der aktuell handelnden Personen so nicht möglich erscheint“, betont Hermans, der den Essener Bischof Franz-Josef Overbeck hier allerdings ausdrücklich ausnimmt. Ein Ruck sei „vielleicht“ noch zu wenig, sinniert der Caritas-Chef. „Es braucht eine revolutionäre Entwicklung in unserer Kirche. Für Revolutionäres ist Jesus ja bekannt.“
Tritt Björn Enno Hermans aber nun tatsächlich aus? Das nun doch nicht, der erste Satz steht nicht ganz ohne Grund im Konjunktiv. „Die Hoffnung und das Vertrauen auf Gott lässt mich am ehesten doch Mitglied dieser Kirche bleiben. Es ist eben keine Partei. Es ist aber verdammt noch mal nicht einfach.“