Essen. . Die 14. Auflage von „Literatürk“ versammelt Autoren zu Lesungen über Migration, Meinungsfreiheit und Fake-News. 21 Veranstaltungen an zehn Tagen.

Dass Literatur immer wieder ein Wagnis sein kann, das seine Leser herausfordert, manchmal auch alarmiert oder sogar produktiv provoziert, das hat das internationale Lesefest „Literatürk“ in den vergangenen Jahren schon eindrucksvoll unter Beweis gestellt. So heißt das Motto der 14. Auflage denn auch folgerichtig „Mut“. Den beweisen vom 12. bis 22. November Autoren wie der Nahostexperte Michael Lüders, der schreibende türkische Modemacher Barbaros Sansal und der Kabarettist Kerim Pamuk.

Es geht um Fake News und den NSU-Prozess

Natürlich darf und will ein Festival wie Literatürk dem Publikum auch Mut machen – um neue Sichtweisen kennenzulernen, Position zu beziehen und gesellschaftliche Veränderungen zu erkennen. Darum dürfte es beispielsweise gehen, wenn Migrationsforscher Mark Terkessidis über „Gesellschaftliche Vielheit als Perspektive“ spricht und seine Vorstellungen von Integration vor allem als Aufgabe von Institutionen und Organisationen skizziert, die sich auf Diversität einstellen müssen. Das zum Teil rassistische Denken – und Versagen — staatlicher Institutionen beim NSU-Prozess will Opfer-Anwalt und Nebenkläger Mehmet Gürcan Daimagüller mit seiner Streitschrift „Empörung reicht nicht“ benennen. Während Bille Haag in ihrem Roman „Königin der Nacht“ einen historischen Bogen vom Anfang des 20. Jahrhunderts über die Zeit des Nationalsozialismus bis zum Jahr des Mauerfalls 1989 zieht. Um Fake News und eine allzu leichtgläubige Leserschaft geht es bei Sven Recker in „Fake Metal Jacket“. Aktueller denn je dürfte der Abend mit Nahostexperte Michael Lüders werden, der mit seinen Recherchen über die Saudi-Connection angesichts des Verbrechens an dem saudischen Journalisten Jamal Kashoggi großes Publikumsinteresse finden dürfte.

Politisch akzentuiert und eng am Zeitgeschehen sind viele der 21 Veranstaltungen. Zum Programm gehören elf Lesungen, aber auch Musikinszenierungen wie die „Songs of Gastarbeiter“ von Imran Ayta und Bülent Kullukcu, eine Ausstellung in der Zentralbibliothek über junge Türken der ersten Einwandergeneration, die damals unbegleitet nach Deutschland kamen und in Patenfamilien groß wurden. Oder ein Kabarettprogramm mit Kerim Pamuk, der unter dem Motto „Der Islam, Das Islam.Was Islam“ mit scharfem Witz und galligem Hintersinn Schlagwörter von A wie Allah bis Z wie Zuckerfest durchleuchten will.

Die Vielfalt der Gesellschaft

Ausgesprochen meinungsfreudig hat sich auch Barbaros Sansal gezeigt. Der Promi-Modedesigner der Türkei bekam für seine kritischen Äußerungen in der türkischen Heimat postwendend Prügel von einem aufgehetzten Mob. Aus seinem in der anschließenden Haft erschienenen Bestseller„Gelyncht“ wird in Essen erstmals auf Deutsch gelesen. Mit Konflikten emotionaler Art setzt sich derweil die kroatische Autorin Ivana Sojko in „Liebesroman“ auseinander. Schriftsteller Clemens Meyer spricht mit der Autorin.

Dass bei „Literatürk“ nicht nur türkischstämmige Autoren zu Wort kommen, ist für die Festivalmacher Semra Uzun-Önder, Johannes Brackmann und Fatma Uzun eine Selbstverständlichkeit. „Wir wollen die Vielfalt in der Gesellschaft widerspiegeln,“ erklärt Semra Uzun-Önder das breit aufgestellte Programm, das auch von Kooperationspartnern wie der Buchhandlung „Proust“ gestützt wird. Gelesen wird zudem nicht nur in Essen, sondern auch in Mülheim und Gelsenkirchen. Breit aufgestellt ist auch das Bündnis der Förderer. Neben der Stadt Essen mit dem Kommunalen Integrationszentrum gibt es Geld von der Kunststiftung NRW. Das NRW-Kulturministerium hat sogar eine mehrjährige Förderung in Aussicht gestellt. 2019 wird Literatürk schließlich schon reife 15.

Das Literatürk-Programm im Überblick

Dominique Manotti liest aus „Kesseltreiben“, 12. 11., 19.30 Uhr, Filmstudio Glückauf.

Kerim Pamuk über „Der Islam, das Islam, Was Islam?, 13. 11., 19.30 Uhr, Kulturzentrum „Die Flora“, Gelsenkirchen.

Glückauf Deutschland, Ausstellungseröffnung, 14.11., 18 Uhr, Zentralbibliothek Essen.

Sven Recker: „Fake Metal Jacket“, 14.11., 19.30 Uhr, Medienforum des Bistums Essen.

Bille Haag liest aus „Königin der Nacht“, 15.11., 19.30 Uhr, Rü-Bühne, Rüttenscheid.

Mehmet G. Daimagüller: „Empörung reicht nicht“, 16.11., 19 Uhr, Ringlokschuppen Mülheim.

Ivana Sojko „Liebesroman“, 17.11.,18 Uhr, Museum Folkwang.

Barbaros Sansal und sein Roman „Gelyncht“, 18.11., 19.30 Uhr, Casa des Schauspiel Essen.

Michael Lüders über „Armageddon im Orient“, 19.11., 19.30 Uhr, Zentralbibliothek.

Vorstellung 14. Essener Anthologie, 20. 11., 17.30 Uhr, VHS.

Ayse Kulin: „Der Gordische Knoten“, 20.11., 19.30 Uhr, Theater Freudenhaus/Grend.

Mark Terkessidis: „Auf der Flucht“, 21. 11., 19.30 Uhr, Café Central im Grillo-Theater.

Imran Ayata & Bülent Kullulcu: „Songs of Gastarbeiter“, 22.11., 19.30 Uhr, Theater Freudenhaus/Grend

Das komplette Programm und Tickets erstmals auch online unter www.literatuerk.com