Essen. Klaus Wisotzky, Leiter des Hauses der Essener Geschichte, hört auf. In seiner Ära wurde das Stadtarchiv größer, professioneller, aber auch ärmer.
Archivare werden gern belächelt, gelten als staubtrocken und ein wenig wunderlich. Klaus Wisotzky selbst passt da so gar nicht ins Klischee. Als er 1995 seinen Dienst als Leiter des Essener Stadtarchivs antrat, fand er allerdings tatsächlich eine verknöcherte Behörde vor, die mit Informationen und Zugang zu Archivalien geizte und unter den an Essener Geschichte Interessierten geradezu berüchtigt war. Rasch hat der gebürtige Gelsenkirchener damals das Steuer herumgeworfen und dem Stadtarchiv Bürgernähe und Servicebewusstsein verordnet, und so ist es bis heute geblieben. Am Freitag wird Klaus Wisotzky vom Oberbürgermeister in den Ruhestand verabschiedet.
Hüter der Akten und anderer historischen Materialien zu sein, das ist zweifellos wichtig. Aber der 65-Jährige wollte mehr. „Ein Stadtarchivar muss auch ein Stadthistoriker sein, so habe ich meine Rolle immer verstanden.“ Wisotzky hat nicht nur anderen bei ihren Arbeiten zur Essener Geschichte tatkräftig geholfen, sondern auch selbst viel geforscht und publiziert.
Viele Bücher und andere Beiträge zur Essener Geschichte
Sein Buch „Vom Kaiserbesuch zum Euro-Gipfel – 100 Jahre Essener Geschichte im Überblick“ wurde ein Standardwerk. In „Selbstverständlichkeiten“ widmete er sich der Geschichte der Gas-, Wasser-, und Stromversorgung in Essen, in einem anderen Werk zeichnete er den Weg der weltberühmten Familie Baedeker nach. Zahlreiche Aufsätze und Buchbeiträge kamen hinzu. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass sich keiner in der neueren Essener Geschichte so gut auskennen dürfte wie der vielseitige Zeithistoriker Klaus Wisotzky.
Auch und gerade weil er seinen Job gut machte, gelang schließlich im Jahr 2009 der räumliche Quantensprung für die Essener Geschichtskultur: die Gründung des „Hauses der Essener Geschichte“, der Umzug aus den Räumen im Rabbinerhaus der Alten Synagoge an den Bismarckplatz.
Neuanfang und enorme Vergrößerung des Stadtarchivs in der Luisenschule
Dort galt es eine neue Verwendung für das denkmalgeschützte Gebäude der ehemaligen Luisenschule zu finden, das nur noch teilweise für den Schulbetrieb gebraucht wurde. Und im Hof der Schule entstand schließlich ein hochmodernes Magazin, dessen rostfarbene Eisenfassade für Kontroversen sorgte. Die Ausstellung zur Geschichte der Stadt Essen im 20. Jahrhundert und die Übernahme der heimatgeschichtlichen Bestände der Essener Stadtbibliothek rundeten das Profil des runderneuerten und stark vergrößerten Stadtarchivs ab.
Auf die finanzielle und personelle Kraftanstrengung, die der Umzug bedeutete, folgte der Katzenjammer. In den Sparhaushalten ab 2010 musste Wisotzkys Institut bluten, die nagelneue Dauerausstellung konnte nur einmal pro Woche öffnen, Lesesaalzeiten mussten zusammengestrichen werden, und auch sonst blieb manches unerledigt.
Nach seiner Pensionierung bleibt er dem Stadtarchiv erhalten - als häufiger Gast
Bis heute, das spürt man, hadert Wisotzky mit dieser schwierigen Phase, die streng genommen anhält. Im Vergleich mit anderen Städten ähnlicher Größe, sei das Essener Stadtarchiv weiterhin sehr bescheiden ausgestattet, sagt er. Ein Thema für die Nachfolge, nach der derzeit gesucht wird.
Der Stadt Essen wird der Historiker über seine Pensionierung hinaus erhalten bleiben. Fast fertig ist ein Buch über die Essener Ereignisse der Umbruchzeit nach dem Ersten Weltkrieg. Anschließend soll eine Biografie über den in Essen lebenden, vorwiegend in Bochum wirkenden Gewerkschafter Otto Hue folgen, die Wisotzky schon seit 30 Jahren plant und bis 2022 realisieren will. Und dann würde ihn noch eine Studie über das Verhältnis der Firma Krupp und der Stadt Essen interessieren. „Man meint darüber alles zu wissen, aber wenn man in die Quellen einsteigt, stellt sich doch vieles vielschichtiger dar“, sagt Wisotzky.
Klar ist: Im Lesesaal des Essener Stadtarchivs wird er auch künftig viel Zeit verbringen, dann aber als Gast. Alles Gute, Klaus Wisotzky!