Essen. . Auf der Brehminsel in Essen-Werden stehen Aussichtsplattformen, die wie Fremdkörper wirken. Es soll weitere an der Ruhr geben. Eine Stilkritik.
Über Geschmack kann man nicht streiten, heißt es manchmal. Wenn es um die Möblierung des öffentlichen Raums geht, wäre in dieser Stadt ein wenig mehr Streit aber sehr wohl angebracht. In Essen hat man, um es vorsichtig zu sagen, nicht immer das glücklichste Händchen, wie schon ein Gang durch die Innenstadt zeigt. Fast noch brutaler aber wirken bauliche Fehlgriffe in der freien Natur oder in den Parks – aktuell zu besichtigen auf der Brehminsel in Werden, wo es neuerdings zwei so genannte „Aussichtsplattformen“ zu bewundern gibt.
„Der Brehm“, wie die Einheimischen sagen, ist eine schöne Mischung aus Naturinsel und Stadtpark. Fußball, Grillen, Spaziergang, Kinderspiele – vieles ist hier möglich, an nicht allzu überlaufenen Tagen ist die Insel eine der lässigsten Essener Grünanlagen überhaupt. Großzügige Freiflächen, knorrige Bäume, die vielen Ausblicke auf eine alte Schleusenzufahrt und die Ruhr geben der Brehm ihren besonderen Charakter.
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Und nun dies: Zwei Gestelle aus mittelhellem Holz sind an den Rand des Parks geflanscht worden. Ihre Funktion ist unklar. Mehr zu sehen als vorher gibt es beim besten Willen nicht, denn die Plattformen erheben sich nur wenige Zentimeter über dem Boden. Irgendwann sollen auf die Podeste noch jeweils zwei Bänke kommen. In Sitzhöhe wird der Blick jedoch von den Begrenzungsplanken der „Aussichtsplattformen“ gebrochen. Man sieht von der Ruhr oder der Schleusenlandschaft dann nicht etwa mehr, sondern im Gegenteil weniger.
Über Hobbykeller-Ästhetik geht es nicht hinaus
Abgesehen davon, quälen die rustikal gezimmerten Bretter in einem so ansehnlichen historischen Park schon im Vorbeigehen das Auge, eben weil sie über Hobbykeller-Ästhetik nicht hinauskommen. Da mag das Rubinienholz noch so robust und gegen Hochwasserschäden resistent sein, wie der städtische Grün- und Gruga-Betrieb beteuert.
Viele Spaziergänger quittierten am vergangenen Wochenende denn auch kopfschüttelnd und spottend die Bauwerke, vielleicht auch, weil sie in dieser Zeitung gelesen hatten, dass der Preis immerhin 15 000 Euro pro Stück beträgt. Für ausgesuchte Hässlichkeit, garniert mit funktionellen Mängeln ist das eine ziemlich stolze Summe. Und in einem Stadtteil, der die Folkwang-Hochschule der Künste beherbergt, tut all das noch einmal extra weh.
Mancher Bürger ließ im Netzwerk Facebook seinem Sarkasmus freien Lauf
In Auftrag gegeben hat den Bau die für Werden zuständige Bezirksvertretung 9, den konkreten Vorschlag erarbeiteten Mitarbeiter von Grün und Gruga, die auch in anderen Essener Parks und Grünanlagen leider selten mit gutem Geschmack auffallen. In der entscheidenden Sitzung im Juni wurde sogar angedroht, ähnliche Plattformen auch an anderen Stellen nahe der Ruhr aufzustellen. Im Netzwerk Facebook war die Diskussion aber bereits jetzt ganz überwiegend negativ, mancher Bürger ließ seinem Sarkasmus freien Lauf.
Kostprobe aus einem ironischen „Testbericht“ von der Brehminsel: „Wir sind überwältigt. Fallwinde der Baldeney-Hochebene zausen unser Haar und vorsichtig lehne ich mich vornüber um in den 15 Zentimeter tiefen Abgrund zu blicken.“ Man möge dem Projekt „einfach Zeit geben“, hält SPD-Bezirksvertreter Daniel Behmenburg dagegen und befand die Fundamentalkritik der undankbaren Bürger als überzogen.
Besser wäre es, die bestehenden Ruhebänke zu säubern und zu sanieren
Zur Ehrenrettung sei erwähnt, dass durch konsequentes Freischneiden auf der Brehm endlich Blickschneisen am Ufer geschaffen wurden. Die beschriebene Großzügigkeit des Parks wurde effektvoll verstärkt. Nicht alles ist also schlecht, was Grün und Gruga hier so treibt. Kleiner Tipp für weiteren Tatendrang: Die bestehenden Ruhebänke auf der Insel bedürfen vielfach einer Säuberung und Sanierung. Hier wäre das Geld der Bürger, über das die Stadtteilpolitiker in der Bezirksvertretung verfügen dürfen, deutlich besser angelegt.
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Wer sich dann noch partout als Park-Gestalter aufschwingen will, könnte es zu den Ufern hin mal mit jenen bequemen, offenen Liegebänken versuchen, die sich neuerdings auch in der Gruga einiger Beliebtheit erfreuen. Fast alles aber ist besser als zentimeterhohe Aussichtsplattformen mit einem Zäunchen.