Essen. . Von Karnap bis Kupferdreh: An den unterschiedlichsten Stellen wurden zuletzt vermehrt enorme Schäden registriert. Kreisjägerschaft ist alarmiert.

Lange Jahre waren Wildschweine in Essen kaum ein Thema. Man kannte sie höchstens aus dem Gehege im Heissiwald, und auch die Kreisjägerschaft hatte keinen Anlass, sich größere Gedanken zu machen. Seit einer Zeit jedoch gibt es handfeste und vor allem unübersehbare Anzeichen dafür, dass sich die Tiere mehr und mehr auch in Essen ausbreiten. Massive Schäden in unterschiedlichsten Teilen des Stadtgebiets haben die Experten jedenfalls auf den Plan gerufen.

Erste Wildschweine wurden bereits westlich der Müllverbrennungsanlage in Karnap bestätigt, im Essener Nord-Osten zudem in Kleingärten und Waldflächen im Bereich der Köln-Mindener-Straße in Stoppenberg/Katernberg. Und im Süden mit deutlich mehr Wald und Flur gehören das Hespertal, der Oefter Wald zwischen Kettwig und Werden und seit einiger Zeit verstärkt auch Kupferdreh und Byfang zu den bevorzugten Aufenthaltsorten der Tiere, die für viele fast putzig wirken, auf ihrer Futtersuche aber massive Spuren hinterlassen und enorme Schäden verursachen.

Vor wenigen Tagen erst wurde etwa die Bolzplatzwiese an der Sportanlage Eisenhammerweg in Kupferdreh „regelrecht auf links gedreht“, so Roland Haering von der Unteren Jagdbehörde bei Grün und Gruga. Die Wühlspuren, das sogenannte „Umbrechen“, sind enorm. Durch die hohe Anpassungsfähigkeit des Schwarzwildes an urbane Verhältnisse im Stadtgebiet werde man sich auch in Essen an diese Tierart gewöhnen müssen.

Experten befürchten eine weitere Ausbreitung

Das befürchtet auch Sebastian Haurand, Nachfolger von Rainer Neumann als Vorsitzender des Hegerings Kupferdreh, mit 130 Mitgliedern einer der größten der neun Hegeringe in der Kreisjägerschaft Essen. Als Allesfresser würden Wildschweine hier nahezu optimale Bedingungen vorfinden, vor allem der Anbau von Energiemais würde sie regelrecht zum Fressen einladen. „Für Wildschweine ein super Futter“, so der 36-Jährige. Aber die Tiere suchten nahezu überall nach Nahrung, erst neulich pflügten sie am Reitstall Maiwurm an der Nierenhofer Straße in Kupferdreh den Boden um.

Eine weitere und im schlimmsten Fall noch viel größere Gefahr, die von den „Schwarzkitteln“ ausgeht, ist die Übertragung der Afrikanischen Schweinepest (ASP). Die ist zwar für den Menschen unbedenklich, könnte aber auf Hausschweine übertragen werden und sich dann in Windeseile ausbreiten. Noch wurde in Deutschland zwar kein Fall gemeldet, aber in Nachbarländern wie etwa Belgien oder Tschechien hat die Afrikanische Schweinepest bereits massive Schäden verursacht.

So entschied das NRW-Landwirtschaftsministerium, die Schonzeit bis März 2021 auszusetzen, weshalb Wildschweine nun das gesamte Jahr über bejagt werden dürfen. „Wir achten jedoch darauf, keine führenden Stücke zu schießen“, so Haurand, also keine Muttertiere, die gerade ihre Frischlinge aufziehen.

Wühlschäden sind nicht versichert

Übrigens: Wildunfallschäden werden in den meisten Fällen von der Versicherung reguliert, für durch Wildschweine verursachte Wühlschäden gilt das laut Haurand aber nicht. Und: Wer ein verendetes oder verletztes Tier sichtet oder gar in einen Unfall mit einem Wildschwein verwickelt wird, sollte unbedingt den Jagdausübungsberechtigten, das Veterinäramt oder die Polizei informieren. Und sich dem Tier auf gar keinen Fall nähern.

>>“BLAULICHT“ SOLL TIERE ABSCHRECKEN

© Uwe Möller

Unterschiedliche Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Gleichwohl gilt: Jeder Unfall, der durch Wildwarnreflektoren vermieden wird, ist ein Erfolg. So sehen das auch Roland Haering (Untere Jagdbehörde), Mike Pannek (Amt für Straßen und Verkehr) und die Kreisjägerschaft. Die setzten ihr 2017 aufgelegtes Verkehrssicherheitsprogramm nun fort und statteten mit Kollegen Leitpfosten auf den Straßen Deile und Rodberger Straße in Kupferdreh mit den blauen Reflektoren aus, die das Licht der Kraftfahrzeuge in Richtung Wald abstrahlen und so das Wild abschrecken sollen.

Die Notwendigkeit ist da, allein von April 2017 bis März 2018 wurden bei gemeldeten Wildunfällen auf Essener Straßen 57 Rehe getötet und kam auch so mancher Verkehrsteilnehmer in die Bredouille. Da Wildschweine mit bis zu 200 Kilo Gewicht deutlich schwerer sind als Rehe, drohen bei Unfällen noch größere Gefahren, so dass auch die Deile auf 1,4 Kilometern nachgerüstet wurde. Weiterer Vorteil: Durch die blauen Reflektoren werden die Menschen daran erinnert, vorsichtig zu fahren.