Essen. . Opernsänger Johannes Groß schenkt Palliativpatienten im Uniklinikum einen unvergesslichen Augenblick der Freude, der Hoffnung und des Glücks.

Dieses Konzertprogramm ist wirklich sehr übersichtlich; nur vier Arien im Wechsel mit ebenso vielen Klavierstücken von Chopin. Auch das Publikum lässt sich an den Fingern einer Hand abzählen. Doch am Ende dieses ungewöhnlichen „Wohnzimmerkonzertes“ an einem ungewöhnlichen Ort sind sie alle – Künstler wie Zuhörer – zutiefst ergriffen und gerührt. Johannes Groß, der Heldentenor, der schon in den größten Opernhäusern der Welt und in Fußballstadien aufgetreten ist, gesteht am Ende: „Ich habe heute einen der aufregendsten Augenblicke meines Lebens erlebt.“

Auf ihrer Palliativstation behandelt die Uniklinik seit sechs Jahren besonders schwere Fälle. Die meisten Patienten sind unheilbar krank und für manche ist sie – so erschütternd es klingen mag – eine Art Endstation. Doch an diesem Dienstagnachmittag verwandelt sich der lichtdurchflutete, mit dunklen Nussbaumdielen ausgeschlagene Aufenthaltsraum in einen Konzertsaal, in einen heiteren Ort voller Lebensbejahung: hier ein Kicker und eine Spielecke, dort das Piano.

Heldentenor und Kopf der deutschen Tenorformation „german Tenors“: Opernsänger Johannes Groß aus Dortmund.
Heldentenor und Kopf der deutschen Tenorformation „german Tenors“: Opernsänger Johannes Groß aus Dortmund. © Socrates Tassos

Johannes Groß (58), dem Millionenpublikum an den Bildschirmen bekannt durch die „German Tenors“, spürt schon in der Vorbereitung, dass dieser Auftritt anders sein wird als alle anderen zuvor. Um den richtigen Ton auf diesem ungewohnten Parkett zu treffen, bringt er vorher feinformulierte Sätze zu Papier, um am Ende doch frei zu sprechen. „Ich bin der Johannes“, sagt er und reicht jedem einzelnen Patienten vorne die Hand. Vier sitzen in der ersten Reihe, andere unauffällig weiter hinten. Jetzt schnell noch ein paar Erläuterungen zum Programm, dann dreht der Heldentenor so sehr auf, dass die Klinikwände beinahe beben.

Los geht’s mit Lehárs „Dein ist mein ganzes Herz“

Los geht’s mit Franz Lehárs beliebtem Operettenklassiker „Dein ist mein ganzes Herz“, einer glühenden Hommage an die Liebe und ein Plädoyer, füreinander da zu sein. Dann weiter mit „Ach, ich hab’ in meinem Herzen“, das der Opernsänger Rudolf Schock in den Fünfzigern berühmt machte. Eine Arie mit dem eindringlichen Vers: „Glaub’ an die Liebe, vertrau dem Geschick – schließ die Augen, warte auf das Glück“. Die Konzertpianistin Susann Kobus, von Beruf Musiktherapeutin und übrigens hochschwanger, begleitet den Sänger mit sicherer Hand.

Jedes gesungene Wort, jeder Ton wollen jetzt wirken wie ein Tropfen Medizin. Man spürt, wie der Tenor davon beseelt ist, Hoffnung zu geben, Mut zu machen. „Nichts veredelt den Geist mehr als Musik und Gesang“, sagt er und hebt an zu „O sole mio“, dann zum unsterblichen „Nessun Dorma“ („Keiner schlafe“). Zwischendurch bittet ihn Patientin Elisabeth Meyer (85) aus Holsterhausen, bis vor kurzem noch im Kirchenchor der Erlöserkirche aktiv, resolut um ein Glas Wasser. „Ich habe noch nie vor so wenigen Menschen gesungen, aber ich freue mich für Euch zu singen“, gesteht dieser.

“Ich werde siegen“: Tenor Johannes Groß will den Patienten, aber auch den Angehörigen und Mitarbeitern Hoffnung geben und Mut machen.
“Ich werde siegen“: Tenor Johannes Groß will den Patienten, aber auch den Angehörigen und Mitarbeitern Hoffnung geben und Mut machen. © Socrates Tassos

Nun also „Nessun dorma“ – der Höhepunkt dieses unvergesslichen, intensiven Konzertes. Die Puccini-Arie endet mit dem Wort „vincero – ich werde siegen.“ Groß schaut den Kranken in die Augen und kann seine Gefühle jetzt nicht mehr verbergen. Für einen Moment stockt seine Stimme, eine knappe Entschuldigung, dann werden seine Augen feucht. Sein inbrünstiges „Vincero“ kommt aus dem tiefsten Inneren und durchfährt einen wie ein wohliger Schauer.

„Dieses Konzert ist mir unter die Haut gegangen“

Friedrich von Bohlen und Halbach, ein Neffe von Alfried Krupp, hat als Preis das Wohnzimmerkonzert gewonnen und ans Uniklinikum gegeben.
Friedrich von Bohlen und Halbach, ein Neffe von Alfried Krupp, hat als Preis das Wohnzimmerkonzert gewonnen und ans Uniklinikum gegeben. © Socrates Tassos

Das Wohnzimmerkonzert mit Johannes Groß war der erste Preis des ersten „Nessun Dorma“-Benefizkonzerts. Der Gewinner Friedrich von Bohlen und Halbach, ein Neffe von Alfried Krupp, schenkte es kurzerhand den Palliativpatienten der Uniklinik. Auch er ist froh: „Dieses Konzert ist mir unter die Haut gegangen.“

Und Johannes Groß sagt erleichtert: „Einem Patienten stand am Ende ein Lächeln im Gesicht.“

>>> NÄCHSTES BENEFIZKONZERT IM JANUAR 2019

Heldentenor Johannes Groß ist Kopf der bekannten Tenorformation „German Tenors“.

Der Vorverkauf für das Benefizkonzert „Nessun Dorma II“ der Stiftung Universitätsmedizin am 21. Januar 2019 in der Lichtburg hat begonnen: waz-tickets.de. Neben Groß treten auf die Sopranistin Yvonne Prentki, die Opernsängerin Caroline Merz, der Ruhrkohle-Chor, das Folkwang-Kammerorchester.

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