Essen. Das Gymnasium Nord-Ost wird 50. Es hat den höchsten Migranten-Anteil aller Gymnasien in Essen und hat Preise bekommen. Wie passt das zusammen?

In dieser Zeitung war im Juli ein Leserbrief abgedruckt: Ein Senior und seine Frau berichteten von einer Straßenbahn-Fahrt durch Essen, die Tram war überfüllt. Schüler, sie waren etwa zwölf Jahre alt, boten dem Paar freiwillig ihre Sitzplätze an. „Wir haben diese Rücksichtnahme und diesen Respekt sehr wohlwollend registriert und dem begleitenden Lehrer auch gesagt“, schrieb der Leser. Es waren Schüler, das war ihm auch wichtig zu sagen, die aufs Gymnasium Nord-Ost gehen.

Wir können davon ausgehen, dass die Jugendlichen nicht Alexander und Konstantin heißen, sondern Murat und Mohammed. Denn auf kein Gymnasium im Stadtgebiet gehen so viele Kinder und Jugendliche mit so genanntem Migrationshintergrund als auf das Gymnasium Nord-Ost. 80 Prozent beträgt deren Quote – das ist mit Abstand der höchste Wert eines Essener Gymnasiums. Die Kinder kommen aus 20 Nationen. Das Schülersprecher-Team stellen derzeit unter anderem ein Tamile und eine Asiatin.

Seiteneinsteiger gibt es seit 2001

Trotzdem schafft es diese Schule, nicht nur jedes Jahr 80 bis 100 Abiturienten pro Jahrgang zu verabschieden. Sondern: 2017 war das Gymnasium für den höchstdotierten Schulpreis Deutschlands nominiert, kam bis ins Finale. Und in Essen war das „GeNo“, wie es hier genannt wird, das erste städtische Gymnasium, das eine Schwimm-AG ins Leben rief für Fünftklässler.

Schulleiter Udo Brennholt lobt auch die Zusammenarbeit mit der Schülervertretung.
Schulleiter Udo Brennholt lobt auch die Zusammenarbeit mit der Schülervertretung. © Socrates Tassos

„Die gesamten Probleme der Gesellschaft kommen bei uns sehr früh an“, sagt Udo Brennholt, Schulleiter seit 2007. „Unser Selbstverständnis verpflichtet uns dazu, diese Probleme nicht zu leugnen, sondern anzugehen. Denn die Kinder sind da und kommen und werden das auch weiterhin tun.“ Das machte die Schule in vielerlei Hinsicht zu einem Pionier: Man opferte eine Lehrer-Stelle für einen Schulsozialarbeiter – auch das als erstes städtisches Gymnasium in Essen. Nahm Flüchtlinge und so genannte Seiteneinsteiger auf, das war 2001. „Heute sind rund 20 Prozent unserer Fünftklässler Seiteneinsteiger.“

Interkulturelles stets im Blick

Das ist einerseits eine Herausforderung – doch andererseits: „Wir nehmen sie konsequent nur in Klasse fünf auf. Das gibt uns die größte Chance, die Kinder mitzunehmen.“ Mit sprachsensiblem Unterricht, zusätzlichen Deutsch-Stunden und mit einer Schulentwicklung, die stets Interkulturelles im Blick hat.

1968 wurde das Gymnasium errichtet an den Grenzen von Altenessen-Süd, Nordviertel und Stoppenberg. Es war die Zeit, als den Verantwortlichen klar geworden war, dass auch Arbeiterkinder einen Zugang zu Bildungshäusern brauchen, die akademische Lebenswege ermöglichen. Das Bistum hatte es vorgemacht mit der Gründung einer „Tagesheimschule“ in Stoppenberg: Haupt-, Realschule und Gymnasium unter einem Dach, als Ganztagsbetrieb.

Achtsamkeits-Training für alle Fünftklässler

Den Ganztag führte die Stadt am „GeNo“ erst 1991 ein, „das war sicher eine völlig richtige Entscheidung“, sagt Brennholt. Genauso richtig war sicher der Entschluss, Achtsamkeits-Training einzuführen für alle Fünfer-Jahrgänge. Atmen und im Stuhlkreis zur Ruhe kommen als Start in den Tag, anstatt direkt Formeln von der Tafel abzuschreiben. 2013 fing die Schule damit an, wissenschaftlich begleitet von der Uni: „Das war ein Durchbruch“, sagt Brennholt heute. Die Lern-Atmosphäre in den Klassen habe sich seitdem verbessert.

Wie geht es weiter? „Das nächste große Thema wird Werte-Erziehung sein“, kündigt er an. Eine Arbeitsgruppe sei schon länger damit beschäftigt – inklusive Schülern übrigens. „Ohne die Schülervertretung würde deutlich weniger laufen.“