Essen. . Alireza (18) und Hameed (16) nehmen an einem 18-km-Hindernislauf teil. Die Herausforderung soll sie auch für die Mühen der Integration stärken.
Sie haben tausende Kilometer zurückgelegt, um nach Deutschland zu kommen, ohne Familie, auf sich gestellt. Und dann schlägt ihnen Betreuer Sascha Rajzer vor, am „Tough Mudder“ teilzunehmen, einem Hindernislauf über 18 Kilometer. „Viel zu anstrengend“, dachte sich Alireza (18) aus dem Iran. „Das schaffe ich nie“, glaubte Hameed (16) aus Afghanistan. Von wegen: Am 29. September gehen die beiden in Mechernich in der Eifel an den Start.
Insgesamt hat der gemeinnützige Träger „Vielfalt im Ruhrgebiet“ in seinen Wohngruppen für unbegleitete Flüchtlinge ein halbes Dutzend Jungs für den Lauf gewinnen können. Der Vorschlag, 18 Kilometer zu rennen und dabei 20 Hindernisse vom kniehohen Schlamm bis zu eiskaltem Wasser zu überwinden, überzeugte jedoch nicht jeden. „Was kriegen wir dafür?“, hätten die anderen gefragt, erzählt Hameed. Von neun Jungs aus ihrer WG in Frohnhausen hätten sich nur Alireza und er für das Training entschieden.
„Am ersten Tag hab’ ich nur einen Kilometer geschafft“
Seit gut zwei Monaten trainieren sie nun, laufen zum Beispiel durch den Gervinuspark. „Für 18 Kilometer benötigt man eine gute Kondition. Ohne regelmäßiges Training ist das nicht zu schaffen“, räumt Rajzer ein. Andererseits hat Alireza, der im Iran Fußball gespielt hat, sich rasch gesteigert; 16 Kilometer meistert er schon. Ganz so weit ist Hameed, der in seinem Heimatland kaum Sport trieb, noch nicht: „Aber am ersten Tag hab’ ich ja auch nur einen Kilometer geschafft.“
Ein Ansporn seien für ihn die Videos von Tough Mudder gewesen, die nach einer Menge Spaß ausgesehen hätten. „Und ich habe mir gesagt: Das ist eine Prüfung für uns.“ Klingt beinahe nach dem Tough-Mudder-Slogan, der die Teilnehmer auffordert, über sich hinauszuwachsen. Sport baue Stress ab und gehöre auch deshalb zum Gruppenalltag, sagt Rajzer. Wenn die Jungs nun diese große Herausforderung bewältigten, stärke sie das. „Sie haben viele Hürden überwunden, und ihr Weg der Integration wird noch einige Hindernisse bereithalten, für die wir sie mental stärken wollen.“
„Wenn wir das bewältigen, ist nichts mehr schwierig“
Alireza und Hameed sind auf einem guten Weg: Alireza, der keine zwei Jahre im Land ist, besucht die Gesamtschule Nord; Hameed das Heinz-Nixdorf-Berufskolleg. Beide sind in der zehnten Klasse und sprechen gut Deutsch und – auch miteinander. „Wir könnten uns in unseren Muttersprachen unterhalten, aber so lernen wir ja kein Deutsch“, sagt Hameed. Im übrigen habe er gemerkt, dass ihm alle Leute hier freundlich begegneten, seit er sich auf Deutsch ausdrücken könne.
Wozu die beiden noch den Tough Mudder brauchen, beantwortet Alireza so: „Es ist cool. Und wenn wir den schaffen, ist in unserem Leben nichts mehr schwierig.“
>>> HINDERNISLAUF ÜBER 18 KILOMETER
Der „Tough Mudder“ ist ein 18 Kilometer Hindernislauf, bei dem sich die Teilnehmer an Ringen entlanghangeln oder durch Schlamm waten müssen, Eiswasserbecken und rotierende Barrieren überwinden müssen. Im Juni wälzten sich in Arnsberg rund 16 000 Teilnehmer aus ganz Europa begeistert im Schlamm.
Die jungen Flüchtlinge aus Essen starten am 29. September bei Schloss Wachendorf in Mechernich in der Eifel. Eine Hürde hat ihnen der Veranstalter vorab aus dem Weg geräumt: Da sie die Teilnahmegebühr von gut 100 Euro nicht hätten zahlen können, spendiert er ihnen ermäßigte Tickets.