Essen. . Der Essener Gesundheitsexperte Winfried Book über das Angebot an Krankenhäusern, den Zwang zur Spezialisierung und Medizin als Jobmaschine.
Einige Essener hatten das kleine Röhrchen für die Probe und einen Pikser für den Tropfen Blut schon in ihrer Post. Das sind die, die fürsorgliche Arbeitgeber haben, wenn es um die Gesundheit der Mitarbeiter geht. Sie zählen zu den Ersten, die den neuen Diabetes-Frühtest zu Hause nutzen, den die AOK und der Verein „Essen gesund vernetzt“ anbieten. Über diese Aktion und andere Entwicklungen am Medizinstandort Essen sprach Kirsten Simon mit Wirtschafts- und Gesundheitsförderer Winfried Book.
Haben Sie selbst schon den Diabetes-Check gemacht?
Winfried Book: Ich muss zugeben: nein. Das werde ich nachholen. Aber an der Darmkrebs-Früherkennung habe ich mich sogar zwei Mal beteiligt. Das war ja unsere erste große Aktion. Sie läuft bereits seit einigen Jahren.
Wie wird der Diabetes-Test denn angenommen?
Wir sind sehr zufrieden. Drei Monate nach dem Start bieten rund 40 Unternehmen ihren Mitarbeitern den neuen Frühtest an. Vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen profitieren davon. Sie haben oft nicht die Möglichkeit, sich so intensiv um die betriebliche Gesundheitsförderung zu kümmern wie große Firmen.
Stellen Sie fest, dass sich Arbeitgeber stärker um die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter sorgen?
Die Betriebe sind zunehmend sensibilisiert. Aber es wäre schön, wenn noch mehr Firmen in die Gesundheitsvorsorge ihrer Mitarbeiter investieren. Sport in der Mittagspause, Rückenschule oder andere Kurse – Möglichkeiten gibt es viele. Am Ende profitieren sie ja selbst davon. Gesunde und leistungsfähige Mitarbeiter erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.
Essen gilt als starker Medizinstandort...
Essen ist das Versorgungszentrum des Ruhrgebiets. Für die Gesundheitswirtschaft arbeiten rund 46 000 Beschäftigte. Dafür gibt es zwei Gründe: Essen ist ein moderner und innovativer Standort für Medizin und Forschung. Das Gute ist: Trotz teils konkurrierender Systeme, ist das Miteinander unheimlich stark.
Auf der anderen Seite ist Essen auch ein erfolgreicher Standort für Unternehmen aus der Gesundheitsbranche – da denke ich an die Medizintechnik, an die IT-Branche und an vielversprechende Start-ups, wie beispielsweise das Start-up „Fasciotens“, das jüngst vom Gründerfonds Ruhr des Initiativkreises Ruhr und der NRW-Bank mit 2,6 Millionen Euro gefördert wurde.
Sprechen wir über die Krankenhäuser. Die Häuser im Norden sind zur Contilia-Gruppe geführt worden und die Kliniken Essen-Mitte schließen sich mit anderen evangelischen Häusern zusammen. Können Krankenhäuser nur noch in der Gemeinschaft überleben?
Das Krankenhaus der Zukunft muss einem Verbund angehören. Dahin geht die Entwicklung. Als Patient begibt man sich doch lieber dorthin, wo 300 Operationen einer Art im Jahr durchgeführt werden und nicht drei. Die Patienten informieren sich im Internet darüber, wo die Expertise am größten ist. Sie vergleichen und wählen nicht unbedingt das nächstbeste Krankenhaus aus.
Also müssen sich die Krankenhäuser stärker spezialisieren?
Definitiv. Hier in Essen haben wir bereits ausschließlich Häuser mit Spezialgebieten. Dazu gehören die Universitätsmedizin und die universitäre Forschung. Hierzu gehören genauso die Einrichtungen des Alfried-Krupp-Krankenhauses, der Contilia-Gruppe und der Kliniken Essen-Mitte. Es gibt nur wenige Gesundheitsstandorte in Deutschland, die eine so hohe spezialisierte und integrative Versorgungsqualität aufweisen wie Essen. Die interdisziplinär arbeitenden Onkologien, Kardiologien und Neurologien möchte ich beispielhaft für andere nennen.
Haben Sie den Eindruck, dass sich das herumspricht?
Ja. Unsere Krankenhäuser werden stark nachgefragt, nicht nur von Essenern. Das Einzugsgebiet geht weit über das Ruhrgebiet hinaus. Aus ganz Deutschland kommen Patienten hierher und immer mehr auch aus dem Ausland. Über das Jahr gesehen haben wir in Essen deutlich mehr Patienten als die Stadt Einwohner hat.