Essen. . Logistikfirmen wie die Westfracht im Essener Hafen suchen händeringend Nachwuchs, kaum jemand bewirbt sich. Dabei sei das Berufsfeld spannend.

Das Logistikunternehmen Westfracht im Essener Hafen kämpft gegen den Fachkräftemangel. „Es ist ein branchenübegreifendes Problem“, sagt Prokurist Ulrich Langhans, „doch wir tun uns ex­trem schwer, Lastwagenfahrer, Gabelstaplerfahrer, Kranfahrer und Lagermitarbeiter zu finden.“

Das habe vor allem mit dem schlechten Image zu tun, und genau dort will Langhans ansetzen. „Diese Arbeiten werden immer mit Hilfsarbeiterjobs verwechselt.“ Zudem gelte der Hafen für viele als anrüchig; Langhans findet das unberechtigt, bemerkt diese Vorurteile aber, wenn Schulabgänger sich bewerben, um als Fachkraft für Lager- oder Hafenlogistik ausgebildet zu werden. Darunter seien oft Jugendliche ohne Schulabschluss oder mit einer abgebrochenen Lehre in einer anderen Branche. Als richtig empfindet Langhans daher die Entscheidung seiner Firma, den für diese Ausbildungen üblichen Realschulabschluss aufzugeben und lieber auf Arbeits- und Einsatzwillen der Bewerber zu setzen. Dennoch blieben Lehrstellen unbesetzt.

Die Arbeit von Lkw-Fahrern und Lagerarbeitern gelte bei der Jugend oft als anrüchig. Westfracht will das ändern.
Die Arbeit von Lkw-Fahrern und Lagerarbeitern gelte bei der Jugend oft als anrüchig. Westfracht will das ändern. © Carsten Klein

Lagerarbeiter beladen aber nicht nur Lkws und stauen Schiffe“, greift Langhans ein Vorurteil auf. „Die Arbeit ist alles andere als eintönig oder einfach, sondern sehr anspruchsvoll.“ Allein für die Sicherheitsbestimmungen bei unterschiedlichen Gütern und für das Sichern der Ladungen benötige man „ein sehr hohes Knowhow“. Und gerade bei Westfracht sei die Bandbreite der Aufgaben groß, von hochkomplexer Kontraktlogistik mit modernsten Maschinenersatzteilen bis zur ganz robusten Handwerksarbeit, bei der 25 Tonnen schwere Stahlbleche zugeschnitten werden. „Unsere Leute sind überall einsetzbar, das ist unser Anspruch.“ So sei es nicht ungewöhnlich, dass Mitarbeiter morgens Aufgaben im schicken Anzug erledigen und abends dann mit dem Brennschneider an den großen Stahlblechen stehen.

Kaum Schwierigkeiten habe Westfracht dagegen, Auszubildende zum Speditionskaufmann oder -kauffrau zu finden, obwohl dort das Abitur gefragt wird. „Junge Leute nehmen uns als Wachstumsbranche wahr und sehen für sich Chancen und Perspektiven.“ Einerseits seien sie als Kaufleute besser bezahlt als Hafen- oder Lagerlogistiker, reizvoll sei aber insbesondere die Möglichkeit, berufsbegleitend zu studieren und zudem durch Spezialisierungen Karriere zu machen. Es gebe viele unterschiedliche Anforderungen, für die eine Firma tatsächlich Spezialisten brauche, darunter etwa für die Luftfracht, Seefracht, Zollbestimmungen oder auch Verpackungen.

Kontakt zu Schulen und Vereinen

„Aber das wissen die meisten jungen Leute nicht“, sagt Ulrich Langhans und will daher dort das Image seiner Branche verbessern und gegen Vorurteile kämpfen, wo potenzielle Bewerber sind. „Wir sind sehr stadtteilverbunden und wollen an die Sportvereine und Schulen in unserer Nachbarschaft herantreten, in Vogelheim, Katernberg und Altenessen.“

Dort will Westfracht junge Schulabgänger von sich überzeugen und vor allem für Logistikberufe werben. Gerade diese seien zwar noch männerdominiert, die Arbeit nicht immer angenehm und der Ton oft rau, aber Langhans habe nur deshalb in den letzten Jahren keine jungen Frauen als Azubis eingestellt, weil es keine Bewerberinnen gab. „Wir arbeiten zwar mit tonnenschweren Stahlblechen, aber wir müssen sie ja nicht tragen.“ Dafür setze man Manschinen ein. „Man muss also keine Gewichtheberin sein, um bei uns anzufangen.“ Ein Gewichtheber übrigens auch nicht.

Jedem, der sich vorstellen könne, in der Branche zu arbeiten, rät Ulrich Langhans, sich zu bewerben. „Wen wir ausbilden, den wollen wir auch halten.“ Noten seien für eine Lehrstelle gar nicht so wichtig. „Er oder sie müssen uns aber im persönlichen Gespräch überzeugen.“

Generelles Plädoyer für betriebliche Ausbildung

Eine betriebliche Ausbildung ist derzeit branchenübergreifend bei Jugendlichen nicht sehr beliebt. „Viele Schüler wollen einen höheren Schulabschluss und verplempern dafür an einem Berufskolleg wichtige, wertvolle Zeit“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Essen, Wolfgang Dapprich. Sinnvoller sei in vielen Fällen, sich umfassend zu informieren und sich direkt um eine Ausbildungsstelle zu bemühen. Dapprich verweist auch auf gute Karriere- und Verdienstmöglichkeiten, indem man einen Meister oder Techniker macht oder einen Betrieb übernimmt, dessen Inhaber in den Ruhestand geht. Grundsätzlich rät er zu Praktika, um einen Beruf oder ein Berufsfeld kennenzulernen.

Franz Roggemann, bei der Industrie- und Handelskammer Essen als Geschäftsführer für Aus- und Weiterbildung zuständig, macht aber auch die Schulen für die derzeitige Ausbildungssituation mitverantwortlich: „Gerade am Gymnasium muss die duale Ausbildung stärker in den Blick genommen werden.“ Durch diese Ausbildung eröffnen sich laut Roggemann weitere Karrieremöglichkeiten, indem man etwa studiert oder den Meister macht. „Trotz Abitur darf man eine Lehre machen.“ Für viele Abiturienten sei dies die richtige Entscheidung, sie sollten die Option aber kennen.

Bezahlte Praktika helfen, die Branche kennenzulernen

Die Westfracht Spezialverkehre International GmbH ist ein kleines mittelständiges Unternehmen im Essener Hafen, das mit seiner Verpackungstochter Westfracht Packaging gut 40 Mitarbeiter beschäftigt.

Das Unternehmen bildet Speditionskaufmänner und -frauen aus sowie Fachkräfte für Lagerlogistik und Fachkräfte für Hafenlogistik. Zwei angehende Speditionskaufleute sind fürs kommende Ausbildungsjahr bereits eingestellt, aber für die beiden anderen Lehrberufe sucht Westfracht noch ein oder zwei Azubis.

„Wir sind froh über jede Bewerbung“, sagt Ulrich Langhans. Jugendliche und junge Erwachsene sollten ein bezahltes Praktikum machen, um ihre Wunschfirma und die Branche kennenzulernen.

Weitere Infos zur Firma gibt es auf www.westfracht.com.