Essen. Das Ruhrmuseum hat das letzte, in Deutschland erhaltene Krupp-Geschütz ergattert. Und ein Schreibtisch erzählt von der Klassengesellschaft.
Die Wegeführung im Ruhrmuseum – für viele Besucher ist sie zunächst ein Buch mit sieben Siegeln. Die drei Ebenen erschließen sich nicht auf den ersten Blick, schon weil die Exponate nicht in einem leeren Raum stehen. Vielmehr ist das Gebäude der Kohlenwäsche quasi ein Museum für sich, in das die immerhin rund 6000 Ausstellungstücke eingepasst sind. Anlässlich des Erwerbs zweier neuer, spektakulärer Exponate hat Direktor Theo Grütter nun die Übergänge in Treppenhäusern sowie zwischen den einzelnen Trakten und Etagen mit auffälligen farblichen Pfeilen und Hinweisen versehen. Auf dass vor allem auch die beiden neuen Groß-Exponate gut zu finden sind.
Nach 1945 sind auch die Museumskanonen von Krupp fast alle eingeschmolzen worden
Zum einen ist das eine Feldkanone von Krupp, die 1874 in den Essener Fabriken entstand. Das von Alfred Krupp entwickelte Gussstahlgeschütz hatte gerade seinen Siegeszug um die Welt angetreten und verdrängte nach und nach die weniger robusten Kupferrohre. Nach 1945 sind auch die historischen Krupp-Kanonen nahezu alle eingeschmolzen worden, in der Waffensammlung der Burg Altena im Sauerland aber überlebte ein Exemplar. „Nach unserer Kenntnis ist es die einzige erhaltene Krupp-Kanone in Deutschland“, so Grütter, der sie nun als Dauerleihgabe im Ruhrmuseum aufstellt. An der Authentizität gebe es keinen Zweifel, wie Recherchen im Krupp-Archiv ergaben.
Kein großes Thema ist für Grütter die Tatsache, dass es sich um ein wenn auch altertümlich wirkendes Tötungsinstrument handelt. „Im historischen Kontext ist das kein Problem.“ Die Gussstahlkanone habe maßgeblich den Sieg über Frankreich im Krieg 1870/71 bewirkt, der wiederum entscheidend für die Gründung des Deutschen Reiches gewesen sei. Somit habe Krupp mit seiner Kanone objektiv Geschichte geschrieben, und dies mache sie zu einem wertvollen Exponat für das Ruhrmuseum, dessen Thema schließlich auch die Rolle des Ruhrgebiets in der deutschen Geschichte ist.
Ein besonders wuchtiges Exemplar der Gattung Chef-Schreibtisch
Auch die andere Neuerwerbung ist im wahrsten Sinne gewichtig: Der Schreibtisch des Herner Industriellen Heinrich Flottmann ist ein besonders eindrucksvolles Exemplar seiner Gattung. Flottmanns Erfindung des mit Druckluft betriebenen Bohrhammers revolutionierte vor rund hundert Jahren den Kohleabbau und reduzierte erstmals mit technischen Mitteln die Schinderei unter Tage. Zuvor war das allein eine Sache der Muskelkraft.
Der Schreibtisch hat ein skurriles Detail, und auch dies macht ihn ausstellungswürdig. An einem seiner Enden dienen zwei geschnitzte Bergleute als Tischfuß, die Heinrich Flottmann wohl stets an seine technische Großtat erinnern sollten. Der eine Bergmann hat noch die Spitzhacke geschultert, der andere bereits den modernen Bohrhammer in der Hand, aber beide sind gekrümmt geschnitzt wie unglückliche Gnome.
Die Symbolik dieser „tragenden Funktion“, ihr klar demonstrierter Klassenstandpunkt nach dem Motto „Ihr da unten, wir hier oben“ wirkten „heute fast schon makaber“, so Grütter. Dauerleihgeber ist das kleine Emschertalmuseum, das für das wuchtige Stück offensichtliche keine geeignete Aufstellmöglichkeit fand.