Essen. Gut 250 Biker feierten im Essener „Bergmannsdom“ den ersten ökumenischen Motorrad-Gottesdienst.Ein christliches Spektakel mit schweren Maschinen.

Mehr als 100 Motorräder glänzten am Sonntag auf dem Katernberger Marktplatz in der strahlenden Sonne. Bis aus Hannover waren die Teilnehmer in Kutte und Lederkombi mit ihren schicken Maschinen zum Gottesdienst im Bergmannsdom gekommen. Die meisten von ihnen „alte Hasen“ aus der Generation 50 plus. Highlight in der vollbesetzten Kirche: eine Fahrerin mit E-Bike.

„Motorradfahrer haben leider ein ähnlich schlechtes Image wie wir Katernberger“, begrüßte der evangelische Pfarrer Jens Kölsch-Ricken die rund 250 Gottesdienstbesucher. Zahlreiche Bikes mit Kultstatus – von der Zweisitzer-Honda „Goldwing“ über BMWs sowie sportliche Yamaha- und Honda-Modelle bis hin zur legendären Harley Davidson – ließen draußen die Herzen aller Zweiradfreunde höher schlagen. Vor der historischen Backsteinkirche geparkt, weckten die Motorräder aber auch das Interesse vieler Passanten. Mancher nutzte die Gelegenheit, mit den freundlichen Bikern aus Essen, Bottrop, Duisburg, Gelsenkirchen, Hattingen und Velbert über die Maschinen ins Gespräch zu kommen. An ihrem Infostand verteilten die 2002 in Essen gegründeten „Flying Angels“ Gratis-Biker-Bibeln und Flyer. Die etwa 145 Mitglieder tragen auf ihren Lederwesten das Kreuz im Abzeichen. „Wir sprechen vor jeder Fahrt ein freies Gebet“, erzählt ihr Gründer Hans-Jürgen Funke.

Luthers Morgensegen als „Navi für den ganzen Tag“

Pfarrer Rolf Zwick (61) aus Essen ist „schon immer“ auf zwei Rädern unterwegs. Seit seiner ersten „Kreidler Florett“ in den 70ern sei er nicht mehr davon losgekommen. Im Job kümmert sich der evangelische Geistliche im Weigle-Haus um Kinder und Jugendliche. In der Predigt beim Gottesdienst verkündet der Kenner der Biker-Szene eine moderne Botschaft: Wie ein Motorradfahrer sei schon Abraham mit leichtem Gepäck unterwegs gewesen. „Die beste Erfindung für mich ist das Navi!“, so Zwick. Als eine Art „Navi für den ganzen Tag“ empfiehlt er Luthers Morgensegen.

Für eine Überraschung sorgt Gabriele Weßling-Plenz, die mit einem E-Bike zum Altar fährt. Dort stellt sich die 59-Jährige aus Velbert Pfarrer Zwick zum Interview. Vor sieben Jahren habe sie den Motorradführerschein gemacht und ein tolles Hobby gefunden. Und ein neues Lebensgefühl nach 30 Jahren Kümmern um die Familie. Auf ihrer Honda 1200 schätzt sie Freiheit und Nähe zur Natur: „Beim Fahren bekomme ich den Kopf frei.“ Doch auf der Straße lauern auch Gefahren. Daran erinnert die Gedenkminute für verstorbene Biker.

Nach dem Segen ging’s im Korso nach Gelsenkirchen

Schon 2017 zum Reformationsjubiläum kam Thomas Thiel (54) aus Bottrop auf der Moto Guzzi zum Gottesdienst nach Essen. „Sonst gehen meine Frau und ich nicht mehr in die Kirche“, erzählt der Katholik, er habe sich der Amtskirche entfremdet. Seine Klaudia fährt seit 28 Jahren selbst eine schwere Guzzi.

Tanja Todtberg (49), die den Gottesdienst mit Pfarrer Zwick organisiert hat, ist als Sozia mit Ehemann Peter lange auf der Harley unterwegs. In Rente will sich das Paar einen Traum erfüllen: Einmal über die legendäre Route 66 cruisen.

Mit dem Schlusssegen aus der Kirche machen sich die Biker auf zum Korso in Gelsenkirchen. Wie Abraham, der in der Wüste Wind und Wetter ausgesetzt war und alles in Gottes Hand legte.