Essen-Borbeck. . Heinz Hohmann kam 1911 zur Welt. Auch als Witwer lebt er noch alleine im zweiten Stock, bügelt und wäscht und liest seit 70 Jahren die WAZ.

Sommer 1911. Das Deutsche Kaiserreich wird von Wilhelm II. regiert, Wilhelm Holle ist Oberbürgermeister der Stadt Essen, und in der erst 1929 eingemeindeten Bürgermeisterei Stoppenberg hat noch Carl Meyer das politische Sagen, als dort am 24. Juni Heinrich Homann zur Welt kommt. An einem Samstag und als fünftes von zehn Kindern. Fast alle von denen sind lange und teils schon ganz lange tot. Bis auf Heinrich Homann, den alle nur Heinz nennen. An diesem Sonntag feierte er Geburtstag, wurde 107.

„Viele Dinge sind ja wirklich schon ganz schön lange her.“ Ein Satz, der ungleich an Bedeutung gewinnt, wenn jemand wie Homann ihn sagt. Wie viel der Mann genau erlebt hat, weiß wahrscheinlich nicht einmal er selbst ganz genau. Aber dass er viel mitmachte, liegt auf der Hand. Der letzte Deutsche Kaiser und auch der Erste Weltkrieg waren da erst der Anfang.

Der Humor hält ihn jung

„Zum Glück“, sagen seine Söhne und Schwiegertöchter heute, ist er stets gesund geblieben“. Dass er im Alter von sechs oder sieben als kleiner, schmächtiger Junge nur knapp der ausgangs des Ersten Weltkriegs gnadenlos wütenden Spanischen Grippe entkommt, die damals Millionen dahinrafft, werten heute alle als glückliche Fügung. Seitdem wurde Heinz Homann niemals wieder ernsthaft krank, und auch seine erste Operation, bei der ihm mit über 90 ein Schrittmacher eingesetzt wurde, nahm er sogar mit Humor.

Humor ist vielleicht ohnehin eines der Geheimnisse dieses beeindruckenden Mannes. „So alt wird kein Schwein . . .“, witzelte er an seinem Ehrentag, und: „Ich bin der letzte Mohikaner, jemand, den der liebe Gott wohl vergessen hat.“

Der Humor habe ihm oft geholfen. Und der Fleiß. Die Abschlussnoten nach acht Jahren auf der Volksschule Stoppenberg jedenfalls sind erstklassig, die seinerzeit so begehrten Lehrlingsplätze bei der Stadt Essen jedoch lassen den jungen Mann völlig kalt. Er bevorzugt eine kaufmännische Ausbildung bei der Gutehoffnungshütte, die seinerzeit einen Eisenhandel in Stoppenberg betreibt.

Unverwundet aus dem Zweiten Weltkrieg

Mit 30 heiratet Homann vergleichsweise spät, wird aber kurz darauf im Herbst ‘41 einberufen zur Luftwaffe. Doch erneut hat er das nötige Glück. „Ich wurde nicht verwundet und überstand auch das eine Jahr in der Gefangenschaft in Italien einigermaßen.“

Zurück in Deutschland, fängt er bei der Krupp-Wohnungsbaugesellschaft an und zieht mit der Familie 1952 um nach Borbeck. In der kleinen Wohnung an der Fürstäbtissin­straße lebt er bis heute. Die 2. Etage, die 40 Stufen von der Wohnungs- zur Haustür, die recht wacklig anmutende Leiter rauf zum Trockenboden. All das macht ihm noch immer keine Angst. Gegen die Einsamkeit, die ihn manchmal überkommt, seit vor 18 Jahren seine Frau starb, kann er kaum etwas machen. Und auch nicht gegen die Tatsache, dass die Augen schlechter werden, das Laufen ihm zunehmend schwerer fällt und es niemanden mehr gibt aus seiner Generation.

Aber Heinz Homann ist ein zäher Bursche. Ab und zu kommt jemand, der die Wohnung putzt, das Mittagessen wird gebracht. Alles andere aber erledigt er selbst. Die Wäsche, das gebügelte Oberhemd, Frühstück und Abendbrot. Die WAZ, die er abonniert hat, seit sie 1948 erschien, liest er regelmäßig, und seinen Führerschein hat er noch heute, „obwohl ich mit Ende 90 das letzte Mal am Steuer saß“. Am Ende indes ist’s wohl wirklich sein Humor, der ihm Kraft gibt. Zwei Beispiele. „Ich hörte ‘74 auf zu arbeiten, bin also bald länger in Rente als ich gearbeitet habe . . .“ Oder: „Zwar gibt’s wohl einen, der noch älter ist. Aber keinen, der wie ich mit 107 noch frei rumläuft . . .“ Herrlich.

>>21 ESSENER SIND ZWISCHEN 104 UND 107

Aller Wahrscheinlichkeit nach ist Heinrich Homann der zweitälteste Mann der Stadt Essen. Zum 31. März, so die aktuellste Erhebung der Verwaltung, waren vier Männer und 17 Frauen zwischen 104 und 107 Jahren alt. Ein Mann ist knapp drei Monate älter als der Borbecker Homann. Insgesamt waren Ende März 63 Menschen bei der Stadt gemeldet, die zwischen 101 und 107 Jahren alt waren – 56 Frauen und sieben Männer. 42 davon waren zum Zeitpunkt der Erhebung 101 bis 103 Jahre alt.