Essen. . Nach der Begeisterung vor Jahren erleben Ehrenamtliche, die Flüchtlingen helfen, heute auch Ablehnung. Dabei sind sie wichtig für die Integration.

Sie geben Sprachkurse, übersetzen Behördenbriefe, vereinbaren Arzttermine oder helfen bei der Wohnungssuche: Also lenkt Pro Asyl/Flüchtlingsrat Essen e.V. zum Welttag des Flüchtlings am heutigen Mittwoch die Aufmerksamkeit auf die Ehrenamtlichen. Die spüren nicht nur, wie anstrengend Integration für Betroffene und Helfer ist. Sie erleben auch – genau wie die Flüchtlinge selbst – „zunehmend Ablehnung aus der Gesellschaft“.

So formuliert es Pro Asyl und verweist auf ein gewandeltes Klima: Nicht mehr Fluchtgründe und Willkommenskultur bestimmten die Debatte, sondern „Obergrenzen, Sozialneid, Abschiebungen und Terrorismus“. Seit 2015 sei das Engagement für Flüchtlinge zurückgegangen, gleichzeitig habe sich der Druck erhöht, sagt Bernd Brack (81) von Pro Asyl. „Das Ausländeramt hat seine Politik verändert, der Ton hat sich verschärft.“

Trotz Behandlungsschein gibt’s oft keinen Arzttermin

Das bestätigt Gerd Bonnekamp (66), der bei den Kümmerern in Kettwig aktiv ist und Bewohner des Heims an der Ruhrtalstraße betreut. „Ich fände es gut, wenn es auf den Ämtern mehr Empathie gäbe. Wenn Flüchtlinge auf ihre Rechte hingewiesen würden.“ Meist müsse man erst nachhaken, auch an anderen Stellen: So bekämen Flüchtlinge oft trotz Behandlungsschein keinen Arzttermin: „Als Arzt kann ich Kollegen ansprechen, Termine vermitteln.“

Solche Hilfe werde dankbar angenommen, erzählt Gaby Bruhnke, die ebenfalls zu den Kümmerern gehört. Einmal wöchentlich geht die 51-Jährige ins Heim an der Ruhrtalstraße: „Da kommen die Jungs mit ihren Anliegen: Brauchen jemanden, der sie ins Ausländeramt und ins Jobcenter begleitet oder einen Dolmetscher besorgt.“

Ausbildungsplatz als Ticket für den Aufenthalt

Einem Jugendlichen aus Guinea habe sie erst ein Praktikum vermittelt, jetzt mache er eine Ausbildung zum Friseur. Dass die Chefin ihm diese Chance gibt, ist auch Bruhnkes Fürsprache zu verdanken. Eine vielleicht schicksalhafte Weichenstellung: Wer vermutlich kein Asyl erhält, kann über Integration, Ausbildungs- und Arbeitsplatz oft doch noch ein Ticket zum dauerhaften Aufenthalt in Deutschland lösen.

Längst nicht jeder Flüchtling habe jemanden, der ihm so intensiv helfe, bedauert die Pro-Asyl-Vorsitzende Kathrin Richter (71). „Weil viele der Heime aufgelöst wurden, sind etliche Runde Tische jetzt scheinbar arbeitslos.“ Vor allem im Essener Süden – denn die meisten Flüchtlinge seien in die nördlichen Stadtteile gezogen. „Da brauchen sie jetzt mehr Hilfe seitens der Stadt“, sagt Richter. Schon um Beratungsstellen erstmal zu finden.

Kleiderspenden waren noch leicht zu organisieren

Gaby Bruhnke und Gerd Bonnekamp begleiten daher auch Flüchtlinge, die längst von Kettwig etwa nach Frohnhausen gezogen sind. „Es ist eine gewisse Nähe zu den Menschen entstanden, so dass man sich weiter kümmert.“ Das sei anspruchsvoller als die Ersthilfe vor ein paar Jahren, als es um Kleider- und Möbelspenden ging. Auch deshalb sei von einst gut 100 Kümmerern heute nur noch ein Fünftel aktiv, schätzt Bonnekamp. Dabei sei die Arbeit so bereichernd wie wichtig, ergänzt Gaby Bruhnke. „Ich habe nur keine Lust, Diskussionen darüber zu führen. Sprüche zu hören wie ,Das sind so viele. Wir können ja nicht jedem helfen.’“

Nein, jedem könne man nicht helfen, bestätigen Brack und Richter: Doch Pro Asyl unterstütze in Essen 5000 Flüchtlinge; auch mit Hilfe anerkannter Asylbewerber, die nun für ihre Landsleute dolmetschen. Die Überforderung, die es auf vielen Ämtern gibt, kennt auch der Verein, der in der Nordcity sein Büro hat: „Wenn Sprechstunde ist, sitzen die Leute bis ins Treppenhaus.“ Dabei ist Pro Asyl für manche gar nicht die richtige Adresse: Sie brauchen nur die Begegnung mit Deutschen, Lebenshilfe, ein Gespräch – Ehrenamtliche eben.

>>> WELTFLÜCHTLINGSTAG AM 20. JUNI

Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) soll sicherstellen, dass die Menschenrechte von Flüchtlingen respektiert werden, dass Menschen ihr Recht, in anderen Staaten um Asyl ansuchen zu dürfen, ausüben können und dass kein Flüchtling zur Rückkehr in ein Land gezwungen wird, wo er Verfolgung befürchten muss.

Seit 2001 erinnert der Weltflüchtlingstag am 20. Juni daran, dass Millionen Menschen weltweit ihre Heimat verlassen müssen. „Wir würdigen die Stärke, den Mut und die Widerstandsfähigkeit, die Flüchtlinge, Vertriebene und Staatenlose aufbringen.“