Essen. . In Frohnhausen leben körperlich behinderte junge Leute in einer WG. Sie können nicht einfach zum Public Viewing gehen – so laden sie zu sich ein.

Der Einzug ist erst ein paar Wochen her, letzte Umbauarbeiten sind noch zu erledigen, da lädt die Wohngemeinschaft „Lüttringhaus all inklusive“ schon zum Public Viewing ein: Wenn an diesem Sonntag, 17. Juni, um 17 Uhr die Fußball-Weltmeisterschaft für das deutsche Team beginnt, wird das Spiel auch in dem hübschen Garten an der Gervinusstraße 6 in Frohnhausen gezeigt. Für Freunde, Nachbarn und Neugierige ebenso wie für die WG-Bewohner.

Letztere nämlich sind nur bedingt mobil und können nicht mal eben zum Fußballgucken in eine Kneipe gehen – also holen sie sich die Mitgucker jetzt ins Haus. Sechs körperlich schwerst behinderte junge Leute sind in der WG angemeldet, drei sind bereits eingezogen. Allen voran Emma Lüttringhaus (18), deren Mutter Maria das Haus gehört: Sie möchte der Tochter und deren Mitbewohnern ein selbstständiges Leben ermöglichen – unter Gleichaltrigen. Für viele junge Volljährige mit Handicap nämlich gibt es kein solches Angebot: Wenn sie nicht bei den Eltern leben, bleibt ihnen oft nur der Umzug in ein Pflegeheim, wo sie den Alltag mit hochbetagten Bewohnern teilen.

Beamer, Leinwand, Gartenmöbel – Public Viewing

„Keine schöne Aussicht“, sagt Jürgen Serek. Er ist Vorsitzender des Vereins „Emma + wir“, der das Haus an der Gervinusstraße mit Leben füllen will. Die Grundidee: „Wir stellen den Leuten aus dem Stadtteil unsere Räume für ihre Aktionen kostenlos zur Verfügung: für Yoga, Kochen oder den Leseabend. Einzige Bedingung: Das Angebot muss offen sein für unsere Bewohner.“ Wie das laufen kann, will der Verein jetzt mit den Fußballabenden vormachen: Beamer und Leinwand stehen bereit, ein paar Getränke und Knabbereien auch. Emma Lüttringhaus und ihre Sozialassistentin Sarah Liesendahl sorgen für Dekoration und Salate. Sollte es regnen, wird der Fußball-Abend in den Seminarraum im Erdgeschoss verlegt, wo Maria Lüttringhaus tagsüber ein Fortbildungsinstitut betreibt.

Jürgen Serek weiß, dass Inklusion – die viel gepriesene Teilhabe Behinderter am gesellschaftlichen Leben – in der Theorie soviel leichter ist als in der Praxis. Er versteht, wenn jemand zu befangen ist, um einen Schwerbehinderten anzusprechen, der vielleicht nur mit Gesten antworten wird. „Gemeinsam Fußballschauen aber ist eine leichte Möglichkeit, einander zu begegnen, gemeinsam mitzufiebern – und hoffentlich zu jubeln.“ Das Public Viewing im Garten ist sozusagen ein niedrigschwelliges Angebot an die Leute aus dem Stadtteil. Und wer meint, Teilhabe und Barrierefreiheit seien nur sperrige Wörter, mit denen er rein gar nichts zu tun habe, den erinnert Serek daran, „dass wir alle älter werden“.

Fußball ist eine leichte Möglichkeit, sich zu begegnen

Für die noch sehr jungen Bewohner der Gervinusstraße 6 wollen Serek und seine Mitstreiter Hürden abbauen: Nicht nur im Haus, das selbstverständlich mit Rampen und Fahrstuhl ausgestattet ist, sondern auch im Stadtteil. Die WG-Bewohner sollen ihren Radius erweitern, einkaufen gehen, kochen, arbeiten – mit Hilfe, aber eigenständig. Denn auch dafür steht das Emma im Vereinsnamen: „eigenständig, mobil, miteinander, aktiv“.

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Unter dem Motto: „Inklusiv läuft’s richtig rund“ laden die WG „Lüttringhaus all inklusive“ und der „Verein Emma + Wir“ zu jedem Deutschlandspiel zum Public Viewing ein. Gebibbert und gejubelt wird entweder im barrierefreien Veranstaltungsraum mit extra großem Fernseher oder im Garten. Die WG mit Menschen mit Körperbehinderung freut sich auf Leute aus dem Stadtteil, Nachbarn und Freunde. Premiere ist am Sonntag, 17. Juni, um 16.30 Uhr an der Gervinusstraße 6 in Frohnhausen.

Und wie verfolgen Sie, liebe Leserinnen und Leser, die Fußball-WM? Allein vorm heimischen TV, im Kreis der Familie, mit den Nachbarn im Garten oder mit Freunden im Hobbyraum? Mailen Sie uns unter dem Stichwort „Fußball-WM“ ein Bild von Ihrem Lieblingsplatz zum Fußballgucken und von den Mitguckern, schreiben Sie ein paar Infos und eine Rufnummer für Rückfragen dazu: redaktion.essen@waz.de