Essen. . Wenn die Fußball-WM beginnt, wird es für 125 Essener extra spannend: Sie haben den deutschen Pass – und einen aus Südkorea, Schweden oder Mexiko.
Immer wenn eine Fußball-Weltmeisterschaft vor der Tür steht, bekommt das Amt für Statistik, Stadtforschung und Wahlen diese etwas anderen Presse-Anfragen: Da geht es dann nicht um trockene Strukturdaten oder Wahlbeteiligungen und auch nicht um die Zahl der Sozialleistungsempfänger. Da geht es um das bunte Gesicht dieser Stadt: Da wird gefragt, welche Essener aus Serbien stammen, aus Marokko oder dem Iran. Und so hat sich Barbara Erbslöh gedacht: „Das beantworten wir diesmal proaktiv.“ Also, bevor die Frage gestellt ist.
Und so hat die Amtsleiterin mit ihrem Team vor der Fußball-WM in Russland, die am Donnerstag beginnt, einen Blick in die Einwohnerdatei geworfen: „Unter dem Gesichtspunkt der teilnehmenden Mannschaften und ihrer potentiellen Fans in Essen“. Schließlich leben in unserer Stadt Menschen aus 172 Ländern. Das größte Fanpotential hat dabei – wen wundert’s – die deutsche Nationalelf. Von 589 676 Essenern (Stand: März 2018) haben 437 212 ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit. „Eingerechnet sind hier allerdings alle Deutschen ohne zweite Staatsangehörigkeit – unabhängig vom Alter und Geschlecht. Also vom Baby bis zur alten Dame, die womöglich noch nie im Leben eine Fußballübertragung gesehen hat“, erklärt das Amt für Statistik.
Hin- und hergerissen in der Gruppenphase
Weitere 58 323 Personen haben neben der deutschen auch noch eine nicht-deutsche Staatsangehörigkeit. Etwas weniger als die Hälfte von ihnen (26 567) stammt aus einem Land, das an der WM teilnimmt: Für sie sind also theoretisch sowohl die Spiele der deutschen Nationalelf interessant als auch die der Nationalmannschaft ihres Herkunftsstaates.
Dann gibt es noch jene Essener, für die schon die Gruppenphase Gewissenskonflikte bereit hält. In Gruppe F sind neben den Deutschen bekanntlich Mexiko, Südkorea und Schweden vertreten. Immerhin 17 Essener haben den deutschen und den südkoreanischen Pass, 45 haben neben den deutschen auch mexikanische Ausweispapiere und sogar 63 schwedische: Macht 125 Essener mit „zwei Herzen in der Brust“, wie es Barbara Erbslöh und ihr Statistik-Team geradezu poetisch formulieren.
Gut möglich, dass es ein weiß-rotes Fahnenmeer gibt
Eine Flagge, die sich Essener schon mal gut einprägen sollten, ist die polnische: Das Team spielt in Gruppe H und 20 800 Essener mit polnischem Pass könnten die Begegnungen dort mit weiß-roten Fahnenmeeren begleiten. Gastgeber Russland (Gruppe A; polnische Flagge plus blauer Mittelstreifen) ist mit einer 5000 Köpfe starken Community in Essen vertreten.
Für die Gruppe B böte sich in Essen sogar ein exklusiver Public-Viewing-Schauplatz an – das Gäste und Fanpotential ist beachtlich: Da gibt es zum einen 4400 marokkanische Landsleute, 3418 Iraner und dazu 2664 Essener mit spanischer Staatsangehörigkeit.
Kein Spiel in Essens Partnerstadt Nischni Nowgorod
Das Statistik-Team weist darauf hin, dass die Serben (Gruppe E) womöglich nicht nur von den 2500 Essenern mit serbischem Pass unterstützt werden, sondern vielleicht auch von jenen, „für die in der Einwohnerdatei noch eine Staatsangehörigkeit aus dem ehemaligen Staatenbund verzeichnet ist (Serbien inklusive Kosovo und Montenegro)“: plus 1611 Fans wären das. Offen sei auch, ob die 898 Briten in Essen alle mit England (Gruppe G) fiebern – zählen zum Vereinigten Königreich doch auch Wales, Schottland und Nordirland.
„Schade ist, dass die deutsche Nationalmannschaft kein Spiel im Stadion der Essener Partnerstadt Nischni Nowgorod bestreiten wird“, findet Erbslöh: „Das hätte sicherlich Glück gebracht.“ Statistisch belegt ist diese Aussage der Amtsleiterin übrigens nicht.
>>> RUND 23.000 TÜRKEN LEBEN IN ESSEN
Nach den Deutschen stellen die Polen in Essen die größte Gruppe aus einem WM-Teilnehmerland. Sieht man alle 172 in Essen vertretenen Nationalitäten an, sind die 23 362 Türken die größte nichtdeutsche Gruppe.
Zwei starke Fußballnationen, die an dieser WM nicht teilnehmen, haben auch in Essen viele Landsleute: So leben in der Stadt 4109 Italiener und 1782 Niederländer. Und 982 Österreicher gibt es bei uns: alles Testspielsieger.