Essen. . Mit dem Krimi-Slam „Hier in Tremonia“ überzeugte das Autorenduo Karr/Wehner die Jury des Friedrich-Glauser-Preises. Wie die Idee dazu entstand.
Es ist schon eine etwas skurrile Situation, die Preisübergabe in der Dortmunder Landesbibliothek: Reinhard Jahn, Essener Krimischriftsteller und bekannt unter dem Pseudonym H.P. Karr, zieht aus seiner Tasche – nein keine Waffe – eine gläserne Figur. Walter Wehner, seines Zeichens ebenfalls Krimiautor, schmunzelt. „Das isser?“ „Ja, der Glauser, also Dein Teil davon.“ Beide lachen herzhaft.
Eigentlich hätte Wehner in Halle an der Saale dabei sein sollen, bei der „Criminale“, dem alljährlichen Treffen der deutschsprachigen Krimiautoren. Doch es hatte nicht sollen sein. Die Sternstunde des Krimduos Karr/Wehner, die Ehrung mit dem Friedrich-Glauser-Preis für den besten Kurzkrimi 2017, erlebte nur Reinhard Jahn. Dem Kollegen berichtet er beim „Kreativtreff“ von der Verleihung. Das findet in Dortmund statt. Denn ihre preisgekrönte Story heißt „Hier in Tremonia“ – „und Tremonia ist der alte Name für Dortmund“, klärt Jahn auf.
Mörderischer Widerstand einer Blaskapelle
Inzwischen sitzen die Autoren im Café des Deutschen Fußballmuseums, im Hintergrund die Skyline der Dortmunder City. Und in ihrer Kurzgeschichte geht es genau darum – um Modernität und Tradition, und um das, was den Menschen im Revier wichtig ist.
Manchmal gehen sie dabei auch krumme Wege: Karr/Wehner erzählen vom mörderischen Widerstand einer Blaskapelle in der alten Zechensiedlung Tremonia gegen die Sanierungs- und Gentrifizierungspläne eines Immobilienkonzerns. Es gibt einige Tote zu verzeichnen – und die Kapelle spielt...
Die Geschichte ist ein Slam – eine Hommage an Elvis Presleys „In the Ghetto“ und wird von den beiden in Lesungen auch von der Melodie her so interpretiert. „Hier in der Siedlung“ lautet der Refrain. Die Glauser-Jury urteilte dazu: „Diese Geschichte ist ein großer Song. Sie ist Musik und Text, vibriert und schwingt und träumt.“
Die besten Rock- und Pop-Morde
Das Konzept kommt nicht von ungefähr. „Wir haben hin und her überlegt“, erzählt Jahn, „wie wir Musik und Text stimmig hinbekommen.“ Die besten Rock- und Pop-Morde lautete die Aufgabe, die Herausgeber Peter Godazgar für die Anthologie „Killing you softly“ seinen Kollegen mit auf den Weg gegeben hatte. Gut ein halbes Jahr gingen die Textzeilen von Karr zu Wehner und umgekehrt.
Wehner: „Zum Kohleausstieg im Revier sollte es um Sozialromantik gehen. Spielmannszüge und Bergmannskapellen gibt es ja in der Form nicht mehr.“ Als die Rohfassung fertig war, „haben wir angefangen zu streichen – und das können wir gut. Jahrelange Erfahrung“, berichtet Wehner grinsend.
Einen Glauser gab es schon 1996 für „Rattensommer“
Immerhin seit mehr als 25 Jahren schreiben die Beiden zusammen Hörspiele, Stories und Großstadtkrimis. Ihr Ruhrgebiets-Thriller „Rattensommer“ wurde 1996 als bester Krimi des Jahres mit dem Glauser-Preis ausgezeichnet. „Das Preisgeld von 5000 DM gab es in nicht registrierten Fünfer-Scheinen“, erinnert sich Jahn. „In der Hotellobby haben wir das diskret geteilt. Ich hab’s in einen Beutel gesteckt.“
Diesmal ist die Auszeichnung mit 1000 Euro dotiert. Das Geld komme per Überweisung, kündigt Jahn an, „den Preis hast Du ja schon mal.“ „Jau“, sagt Wehner, „dann lass uns weitermachen!“
>> Die wichtigste Auszeichnung für Krimi-Autoren
Der „Glauser“ ist neben dem Deutschen Krimi-Preis die wichtigste Auszeichnung im deutschsprachigen Raum. Benannt ist er nach dem Schweizer Autor Friedrich Glauser, verliehen wird er vom „Syndikat“.
„Hier in Tremonia“ ist erschienen in der Anthologie „Killing you softly“, hrsg. von Peter Godazgar im KBV-Verlag.