Essen. . Die Mitarbeiter des Jugendnottelefons müssen immer öfter zu Einsätzen vor Ort ausrücken – häufig mit Polizei. Nun soll das Team verstärkt werden.
Kinderschutz kennt keinen Feierabend, darum muss das Jugendamt nachts und für die Wochenenden einen Bereitschaftsdienst vorhalten. In Essen übernimmt das Diakoniewerk mit dem Jugendnottelefon diese gesetzliche Pflichtaufgabe. Weil die Zahl der Meldungen dort „zum Teil dramatisch angestiegen“ sei und die Mitarbeiter einer „zunehmenden Gewaltbereitschaft“ begegnen, soll das Team nun personell deutlich aufgestockt werden.
So steht es in einer Vorlage der Verwaltung, über die der Jugendhilfeausschuss am Dienstag, 12. Juni, entscheiden wird. Bisher hat der Bereitschaftsdienst des Jugendnottelefons dreieinhalb Stellen: 2,5 werden von der Stadt finanziert, eine vom Diakoniewerk. 1476 Anrufe gingen im vergangenen Jahr bei dem Notruf ein, 177 mal rückte das Team zu Kriseneinsätzen aus – im Jahr 2014 waren es noch 125 Einsätze. Oft melden sich die Kinder und Jugendlichen selbst und die Mitarbeiter klären vor Ort in den Familien, ob eine Gefahr für die Kinder besteht – und nehmen diese gegebenenfalls in Obhut. Naturgemäß laufe das nicht immer friedlich ab, betont Jugendamtsleiter Ulrich Engelen.
Mitarbeiter des Notrufs erleben bedrohliche Situationen
Das gelte schon für Einsätze, die das Jugendamt tagsüber selbst übernimmt, und erst recht in den Nachtstunden, wenn das Team des Diakoniewerks ausrückt. Da sei der Alkohol- und Drogenkonsum der Eltern oft fortgeschritten, Streitigkeiten eskaliert. So verzeichnete das Jugendnottelefon im vergangenen Jahr 721 Polizeieinsätze, meist nach häuslicher Gewalt. Gegenüber 2014 hat sich die Zahl solcher Einsätze damit mehr als verdoppelt.
Angesichts der zunehmenden Aggressivität, die auch Feuerwehr und Rettungsdienste erlebten, sei eine sorgfältige Gefährdungseinschätzung nötig, bevor man sich zu einer Familie im Krisenmodus begebe, sagt Engelen. „Und dann müssen mindestens zwei Fachkräfte vor Ort sein.“ Wegen der knappen Besetzung des Jugendnottelefons musste jedoch schon mal ein Mitarbeiter alleine losfahren. „Es gab bedrohliche Situationen, wenn etwa eine Familie die Tür zuhielt und der Kollege sich in der Wohnung gefangen sah.“ Auch wenn er nach einer Viertelstunde wieder gehen konnte, sei so etwas beklemmend.
Kindeswohl und Elternrechte müssen gewahrt werden
Damit das Jugendnottelefon seine Aufgaben weiter vernünftig erledigen und in Zukunft stets zwei Fachkräfte zu den Einsätzen schicken kann, sollen nun fünf neue Vollzeitstellen geschaffen werden. Das sei übrigens nicht nur wichtig, um die Sicherheit der Mitarbeiter zu gewährleisten, sagt Engelen. Immerhin gehe es bei solchen Krisenfällen darum, ob man ein Kind vorübergehend aus der Familie nehme und im Heim oder bei Pflegeeltern unterbringe. „Wo über das Wohl des Kindes entschieden und möglicherweise in Elternrechte eingegriffen wird, ist das Vier-Augen-Prinzip unverzichtbar.“
>>> JUGENDNOTTELEFON: MELDUNGEN UND EINSÄTZE
2011 verzeichnete das Jugendnottelefon 1214 Anrufe, 2014 waren es 1426 und 2017 schon 1476 Anrufe. Ähnlich entwickelten sich die Kriseninterventionen vor Ort: Waren es 2011 noch 71 Fälle, stieg die Zahl erst auf 125 (2014) und 2017 auf 177 Fälle.
Polizeieinsätze, überwiegend wegen häuslicher Gewalt wurden 2011 noch nicht verzeichnet. 2014 waren es dann 322, im vergangenen Jahr sogar 721.