Essen. Wanderer lieben den steilen Hangweg überm See. Die Stadt will hier aber Wildnis haben, weshalb der Pfad nicht betreten werden darf – eigentlich.
Es ist der wohl spektakulärste Wegabschnitt am Baldeneysee, und ausgerechnet dieser ist nun schon seit vier Jahren, als Sturm Ela tobte, offiziell gesperrt. An den steilen Waldhängen am Heisinger Ufer zieht sich ein Pfad fast einen Kilometer unterhalb der Ausflugslokale Schwarze Lene und Jagdhaus Schellenberg dahin und glänzt durchgehend mit hervorragenden Aussichten auf den See. Für den Essener Wanderfreund Gerd Roth ist es unverständlich, dass hier immer noch viele Bäume kreuz und quer liegen und die Stadt scheinbar keine Möglichkeit hat, dies zu ändern. „Hier wird eine Chance vertan, den Erlebnisfaktor für Essener Bürger und auswärtige Besucher zu steigern“, sagt Roth, der sich auch fragt, warum der Weg nicht Teil des Baldeneysteigs ist.
Die Antwort ist einfach: aus Absicht. Denn nicht etwa Geld- und Personalmangel ist ursächlich für die Sperrung, vielmehr will man diesen Abschnitt bewusst zuwachsen lassen. Die Untere Naturschutzbehörde und die Forstverwaltung der Stadt haben die Sturmschäden genutzt, um diesen Teil des Steilhangs Wanderern und Spaziergängern zu entziehen und konsequent verwildern zu lassen.
Manchen Wanderer oder Mountainbiker dürfte die Kletterei sogar Vergnügen bereiten
Eckhard Spengler, Sprecher des städtischen Grün- und Gruga-Betriebs, verweist auf Bürgerbeteiligungsrunden, in denen für die Essener Wälder ausdrücklich eine Reduzierung des Wegenetzes gefordert wurde. Ob damit dieser Weg gemeint war, darf aber bezweifelt werden. Spengler zufolge ist der Pfad hier gar nicht erforderlich. Der Baldeneysteig zieht sich etwas höher am Hang entlang. „Dadurch ist dieser Bereich auch touristisch gut erschlossen“, so Spengler. Dass der gesperrte Abschnitt um einiges schöner und aussichtsreicher ist, spielte in den Verwilderungs-Überlegungen offensichtlich keine Rolle.
Wann dieser Effekt eintritt, ist aber nicht absehbar. Denn obwohl die Stadt das Betreten des Weges untersagt, wird er viel begangen. Manchem Wanderer oder Mountainbiker dürfte die Kletterei über die Baumleichen sogar Vergnügen bereiten. Sieht man von den umgeworfenen Stämmen ab, ist von Verwilderung jedenfalls nicht viel zu sehen. Selbstverständlich geschieht das Herumturnen auf eigene Gefahr.
Spengler macht deutlich, dass die Stadt sich dieser buchstäblichen Abstimmung mit den Füßen aber keinesfalls zu unterwerfen gedenkt. Der Wanderweg soll in jedem Fall gesperrt bleiben – wie es das Waldkonzept der Stadt eben vorsieht.