Essen. . Elke Samotta arbeitet für den Malteser Menüservice. Sie begegnet Alter, Armut, Einsamkeit – und ist für viele Senioren der Lichtblick des Tages.

Wenn Elke Samotta für den Menüservice der Malteser unterwegs ist, liefert sie nicht bloß Hähnchen-Taler, Schaschlik-Teller oder Rührei mit Spinat aus. Die 57-Jährige ist für viele alte Menschen der einzige Besuch. Ein Besuch, der nur Minuten bleibt, weitereilt zum nächsten Kunden. „Trotzdem bin ich für viele das Highlight des Tages.“ Wir haben sie begleitet, haben mit ihr Armut, Alter, Einsamkeit besucht.

Auf einer Tour fährt sie 70 km quer durch Essen

Ihre Tour dauert von neun bis zwölf Uhr, in dieser Zeit steuert sie 26 bis 28 Adressen an, fährt knapp 70 km durch Essen: von Borbeck über Altendorf, Holsterhausen, Bredeney, Werden, Fischlaken, Stadtwald, Bergerhausen, Huttrop, Südostviertel, Schonnebeck, Katernberg, Altenessen, Vogelheim, Dellwig wieder nach Borbeck. „Zum Glück fahre ich gern Auto.“

Im Kofferraum stapeln sich die Styroporboxen, die sechs verschiedene Gerichte warm halten. „Erst um zwölf Uhr essen“, ermahnt sie den alten Herrn, der gegen halb zehn beliefert wird. Seine Wohnung ist mit liebevollen Hinweisen gepflastert, an der Tür etwa hängt ein Zettel mit dem Foto der Schwiegertochter: „Ich darf nicht ohne ... ‘rausgehen.“ (Statt der Pünktchen steht auf dem Zettel der Name der Schwiegertochter).

Manche tröstet der Fernseher, andere der Alkohol

Elke Samotta ist froh, wenn es Spuren von Kindern oder Nachbarn gibt, die sich kümmern. „Mir tun die Leute leid, die keinen Anhang haben.“ Oft laufe der Fernseher ohne Pause, andernorts tröste der Alkohol schon morgens. Manche Wohnung ist vermüllt, dreckig, stickig, andere atmen, behelfsmäßig möbliert, Bedürftigkeit.

Altersarmut, das sind die Senioren, die an der Tafel anstehen und jene, die nicht mal den Weg dorthin schaffen. Darum bieten die Malteser Mahlzeitenpatenschaften an (Kasten): So kommt der Menüservice auch zu Leuten, die ihn nicht bezahlen könnten. „Selbst melden tun die sich aber praktisch nie“, sagt Malteser-Pressereferentin Annett Rohde. „Das machen Betreuer oder Sozialstationen.“ Um etwas bitten, fällt den alten Menschen oft schwer. Da ist die Dame, die drei Anläufe nimmt, bevor sie auf die Mülltüte weist: „Könnten Sie vielleicht...“ Elke Samotta bringt den Müll raus. Sie gibt dem Senior, der so verwirrt ist, ein Wasserglas. Viele ihrer Kunden vergessen zu trinken.

Die Welt der alten Menschen schrumpft auf ein Zimmer

Selten setzt sie sich, hört sich an, wie es früher war: „Man bekommt ein Gespür, wann jemand mal gedrückt werden muss.“ Und im Hinterkopf tickt die Uhr, ihr Fahrplan ist eng getaktet. Als sie um 12.25 Uhr ein Essen bringt, erklärt der Mann, der auf seinem Sofa vorm Fernseher campiert, mit munterem Blick: „Wird sofort vernichtet.“

Wie klein die Welt wird: Die Dame mit dem amputierten Fuß liegt im Pflegebett, blickt aus dem Fenster. In der Kellerwohnung einer anderen ist es sogar an diesem sonnigen Tag duster. Ein paar Kilometer weiter geht eine alte Frau mit ihrem Rollator in der Wohnung im dritten Stockwerk umher: „Sie kommt nie nach draußen“, sagt Elke Samotta.

Die meisten Senioren freuen sich auf „ihren Fahrer“

Aber der Menüservice kommt zu den Menschen, auch zu jenen, die es nicht mal zur Tür schaffen: Ein Dutzend Schlüssel trägt Elke Samotta mit sich. Einmal hat sie eine alte Dame blutig am Boden liegend gefunden, hat sich gekümmert, den Rettungsdienst gerufen, ist weitergeeilt. „Anfangs habe ich zu Hause manchmal Rotz und Wasser geheult.“ Ihre Söhne sagten: „Mama, Du darfst das nicht mitnehmen.“

Sie hat sich diese Arbeit gesucht, als ihr Mann vor einigen Jahren starb. „Da brauchte ich Struktur.“ Als Fahrerin bei einem anderen Pflegedienst fand sie ihre Berufung, doch der Vertrag lief nach zwei Jahren aus. Seit Dezember ist sie eine von zwölf Fahrern bei den Maltesern in Essen. Sie alle haben einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht, sind im Umgang mit Demenz-Patienten geschult. Mit Menschen, die vehement bestreiten, „dieses Essen“ bestellt zu haben. Elke Samotta ist auch nicht irritiert, wenn der einst so distinguierte Herr ihr nackt die Tür öffnet. Andere Kunden hat sie nie gesehen: „Die möchten, dass ich die Box im Flur abstelle.“ Die meisten freuen sich auf „ihren Fahrer“, fragen bang: „Morgen kommen Sie doch wieder?“

> MALTESER MENÜSERVICE + MAHLZEITENPATEN

Der Malteser Menüservice ist tageweise oder für länger buchbar. Täglich stehen sechs Gerichte ab 6 Euro zur Wahl, die Lieferung (9.30 - 13.30 Uhr) ist kostenlos. Info: 0800-30 20 10 3, menueservice.rg@malteser.org
Weil sich viele Senioren kein warmes Essen leisten können, haben die Malteser im Jahr 2014 die Mahlzeitenpatenschaften gestartet: Ein Pate kann mit 6 Euro eine Mahlzeit finanzieren (das warme Essen für eine ganze Woche kostet 42 Euro, für einen Monat 168 Euro, für ein Jahr 2184 Euro). Möglich sind einmalige ebenso wie regelmäßige Spenden. Bisher gibt es 20 feste Mahlzeitenpaten. So bekommen alte Menschen trotz finanzieller Not ein warmes Mittagessen.
Spendenkonto: IBAN: DE79 3706 0120 1201 2060 45,
BIC: GENODED1PA7; Stichwort: Mahlzeitenpate.