Essen. . Reanimations-Spezialisten machen den weiterführenden Schulen in Essen ein besonderes Angebot. Sie kommen in den Unterricht.

Ein Notfall. Jemand ist umgekippt, liegt regungslos am Boden. Offensichtlich ein Herzstillstand. Eigentlich nicht der passende Moment für ein lustiges Liedchen. Doch diese eine Melodie kann helfen, Leben zu retten, hat Olga gelernt. Die 13-jährige Schülerin des Grashof-Gymnasiums würde im Rhythmus von „Hey, Pippi Langstrumpf“ reanimieren, wenn es darauf ankommt und jede Minute zählt.

Dann beugt sie sich über den Patienten, stützt sich mit ihren Händen auf seinen Brustkorb und drückt kräftig im Takt der Musik in ihrem Kopf. Notfalls so lange, bis der Notarzt kommt. Olga Scharnhorst führt diese Schritte an einer Puppe vor. Das Mädchen gehört zu den ersten Schülern, die an dem Projekt „Junge Retter“ teilgenommen haben. Hier werden Jugendliche zu Ersthelfern ausgebildet. Eine Aktion der Initiative „1000 Herzen für Essen“, hinter der das Contilia Herz- und Gefäßzentrum steckt.

„Es kommt auf die ersten zehn Minuten an“

An weiterführende Schulen in Essen ist kürzlich das Angebot herausgegangen, Reanimationsspezialisten in die Klassen zu schicken. Einen Tag lang können die Acht- und Zehntklässler im Unterricht lernen, was sie im Notfall tun müssen.

Das Grashof-Gymnasium gehört zu den ersten Schulen in der Stadt, die sich gerne daran beteiligen. Denn es ist so: Im Land fehlen Ersthelfer. Menschen, die eingreifen, während andere tatenlos zusehen oder wegsehen. „Die Laienwiederbelebungsrate liegt in Deutschland bei rund 30 Prozent. In den Niederlanden und Skandinavien liegt sie bei 70 bis 80 Prozent. Da ist die Ausbildung zum Ersthelfer fest in den Unterrichtsplänen verankert“, sagt Dr. Ingo Voigt, Notfallmediziner am Elisabeth-Krankenhaus und Unterstützer des Projekts „Junge Retter“.

Prof. Heinrich Wieneke, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie, rechnet vor, wie wichtig es bei einem plötzlichen Herzstillstand sein kann, dass Passanten aktiv werden: „Es kommt auf die ersten zehn Minuten an. Die Lebenswahrscheinlichkeit nimmt mit jeder Minute um zehn Prozent ab, wenn keiner hilft.“ Der Notarzt benötige im Schnitt sieben Minuten, bis er am Unglücksort ist – dann kann es schon zu spät sein. „Viele Menschen haben Angst, etwas falsch zu machen. Dabei ist das einzig Falsche, gar nichts zu tun“, sagt Björn Bruckhoff, Ausbilder für Reanimation.

Jugendliche sollen für Notfälle sensibilisiert werden

So können sich Schulen anmelden

Rund 180 000 Fälle des plötzlichen Herzstillstands werden jährlich in Deutschland verzeichnet. Damit zählt er zu den häufigsten Todesursachen.

Das Contilia-Ersthelfer-Projekt „Junge Retter“ kann von den weiterführenden Schulen kostenlos genutzt werden.

Anmeldung und weitere Infos unter cardiac.arrest@contilia.de oder 897-3208.

Es gehe auch gar nicht darum, nur die perfekte Wiederbelebung zu lernen, sondern eher darum, für Notfälle sensibilisiert zu werden. Also zunächst einmal zu registrieren, dass jemandem etwas zugestoßen ist und dann sofort den Notarzt zu rufen unter 112. „Jugendliche sind oft unvoreingenommener“, sagt Notfallmediziner Ingo Voigt. Je älter der Mensch sei, desto weniger wolle er sich mit dem Thema Reanimation beschäftigen.

Die 13-jährige Olga ist jedenfalls ganz begeistert von ihren neu erlernten Fähigkeiten. Sie schließt jetzt noch eine Ausbildung zur Schulsanitäterin an. „Es ist ein gutes Gefühl, zu wissen, dass man im Notfall helfen kann“, sagt sie.