Essen. . Seit 2017 gibt es einen kostenlosen Verleih von Lastenrädern. Immer mehr Essener kommen auf den Geschmack, einige geben gar ihr Auto ab.

Ihre letzten schweren Einkaufstaschen hat Saskia Wedegärtner bequem mit dem Rad nach Hause gebracht. Jetzt radelt sie mit einem Wasserkasten entspannt durch Huttrop. Schlechte Nachricht für ihr Auto: Im nächsten Monat wird es abgeschafft. Es hat den Leistungsvergleich mit einem schlanken, dafür aber besonders langen Rad verloren. Saskia Wedegärtner steigt um auf das Lastenrad.

Mehrfach hat sich die 32-Jährige nun eines der giftgrün lackierten Modelle der Aktion „Essener Lastenrad“ ausgeliehen. Je häufiger sie auf dem 2,20 Meter langen Rad Platz nahm, um so besser gefiel es ihr. „Ziemlich schnell hatte ich mich daran gewöhnt. Ich habe keine Parkplatzprobleme mehr und es lässt sich leicht fahren, wenn man es einmal raus hat.“ Längst hat sie im Bekanntenkreis Reklame für die Lastenräder gemacht, „gerade für Eltern mit kleinen Kindern ist so etwas ideal“, sagt sie.

Der ADFC Essen ist der Träger

Das sieht auch Simon Knur so. Er ist einer der Mitinitiatoren, die im Sommer vergangenen Jahres das Grüne-Hauptstadt-Jahr genutzt haben, um das Projekt Lastenrad-Verleih in die Stadt zu bringen. Acht Räder gibt es derzeit für Privatleute in der Stadt über diesen Anbieter zu leihen, der Fahrradclub ADFC ist als Träger mit an Bord, aber um den Verleih kümmern sich ehrenamtliche Radpaten, die die Bikes unterstellen, betreuen und auch pflegen. Simon Knur ist einer davon. „Wir sind verteilt auf mehrere Stadtteile, damit es die Interessenten möglichst nah zu ihrem Leihrad haben“, sagt der 38-jährige Fahrradliebhaber. Er beobachtet nun schon eine ganze Weile, dass Deutschland – und natürlich speziell Essen – „auf den Geschmack kommt und immer mehr Menschen das Lastenrad als Alternative zum Auto entdecken“. Die Margarethenhöhe sei der Hotspot der Szene, und in Rüttenscheid seien Lastenräder so etwas wie der neue Zweitwagen.

Kein Vergleich allerdings zu dem, was in den Niederlanden oder Teilen Skandinaviens passiert: „Allein in Kopenhagen sollen 34 000 Lastenräder unterwegs sein“, sagt Simon Knur. Dabei haben sie auch in Deutschland eine lange Tradition. „Briefträger sind schon ewig mit solchen Rädern unterwegs. Oder früher, das klassische Bäckerrad. Heute ist die Technik natürlich viel besser.“ Ungefähr 500 Meter müssten Ungeübte zurücklegen, dann hätten sie sich an das Fahrrad mit der langen Schnauze gewöhnt.

Lastenräder schaffen 230-Kilo-Transport

Die Leihräder können mit 230 Kilo beladen werden, inklusive Fahrer. Die meisten sind auf ihrer Ladefläche vorne mit Sitzen ausgestattet. Kleine Kinder genießen es, auf diese Weise durch die Landschaft gefahren zu werden. „Für sie ist es super, vorne zu sitzen und nicht Mama oder Papa auf den Popo schauen zu müssen“, sagt Knur und lacht.

Die Anbieter hoffen, dass ihre flotte Flotte bald wächst. Ein E-Bike soll dazukommen. Die Unterstützung durch einen Elektromotor macht den Transport von Schwergewichten noch einfacher als die bloße Beinarbeit. Derzeit werden keine Leihgebühren genommen, gutes Rad ist für die Nutzer also nicht teuer. „Jeder soll Zugriff haben, unabhängig vom Einkommen“, sagt Simon Knur. Alle Radpaten hören es aber gerne, wenn kleine Spenden in den Spardosen klimpern. „Wir müssen ja irgendwie Reparaturen und andere Kleinigkeiten bezahlen.“

Die Räder können über das Internet reserviert werden, mindestens 24 Stunden vorher. Dort wird auch angezeigt, wo die Bikes stehen. Nach spätestens drei Tagen sollten sie zurückgegeben werden.