Essen. . Zwei Vorfälle an einem Tag: Tiere ohne Leine gehen in Kupferdreh und Kettwig auf das Wild los. Jäger und Augenzeugen appellieren an Hundehalter.
Michael Miksch hat schnell reagiert. Er hat den Kopf des mit dem Tod ringenden Tieres gehalten und versucht, ihm so die Atmung zu erleichtern. Doch für das Reh kam jede Hilfe zu spät. „Zwei Minuten später hat es sich nicht mehr bewegt“, sagt der Mann aus Kupferdreh. Totgebissen von einem frei laufenden Hund. Während Hund und Halter über alle Berge waren, hat der Anwohner die Polizei alarmiert. „Schlimm war das“, sagt Miksch wenn er daran denkt, was sich da am Mittwochmorgen auf seinem Grundstück abgespielt hat. Auf Fotos sind die Bisswunden am Hals des verendeten Rehs deutlich zu sehen. Es ist kein Einzelfall. Auch in Kettwig werden immer wieder Rehe von Hunden gehetzt, im schlimmsten Fall bis in den Tod.
Ab Mai sind auch wieder Kitze unterwegs
„Das ist traurig“, sagt Michael Delfs von der Kreisjägerschaft Essen. Er empfiehlt, solche Vorfälle dringend anzuzeigen. „So etwas geht nicht. Man kann nur immer wieder an die Hundehalter appellieren, dass sie es nicht so weit kommen lassen und auf ihre Hunde aufpassen.“ Gerade jetzt, im Frühjahr, wenn die Natur erwacht, entdecke sogar ein meistens liebes Tier seinen Jagdtrieb. „Dann riecht es für die Hunde so unglaublich gut, wenn selbst Singvögel ihr Hormonspuren hinterlassen“, sagt der Jäger. In der Brunft- und Setzzeit könnten unkontrolliert herumlaufende Hunde einen großen Schaden anrichten. Im Mai und Juni seien beispielsweise in den ländlichen Stadtteilen wie Kupferdreh oder Kettwig häufig Rehe mit ihren Kitzen unterwegs.
Michael Miksch geht davon aus, dass das getötete Tier auf seinem Grundstück zu einer Gruppe von fünf Rehen gehörte, die er längere Zeit immer mal wieder auf den Wiesen vor seiner Haustür gesehen hatte. Auch Hunde ohne Leine, manchmal weit entfernt von ihren Besitzern, beobachtet Miksch regelmäßig. Er hat kein Verständnis dafür: „Die Halter müssten verantwortungsbewusster handeln. Sie wissen doch, dass hier viele Wildtiere leben.“ Bei dem tödlichen Zwischenfall am Mittwochmorgen waren Miksch und seine Familie von Hundegeknurre aufgeschreckt worden. Als sie vor die Tür traten, war dort nur noch das sterbende Reh zu sehen, „Hund und Halter waren weg“. Der 39-Jährige aus Kupferdreh kennt sich aus mit Notfällen, er arbeitet bei der Feuerwehr und hat direkt erkannt, dass schwere Bisswunden dem Reh so sehr zusetzten.
Reh in den Zaun getrieben
Ganz ähnliche Szenen haben sich am selben Tag auch in Kettwig abgespielt. Dort wurde Landwirt und Jäger Einhart im Brahm von der Polizei angerufen, weil ein Hund ein Reh in einen Zaun getrieben hatte und das Wildtier dort offensichtlich schwer verletzt mit dem Tod kämpfte. „Ich war gerade mit dem Trecker unterwegs. Deshalb habe ich die Polizei gebeten, das Reh selbst zu erschießen“, sagt der Jäger. In diesem Fall sei der Hund ursprünglich angeleint gewesen, hätte sich aber losgerissen und das Reh verfolgt.
Seit Jahren rede er mit Hundehaltern in den Kettwiger Ruhrauen über Dinge wie Verantwortung. Oft höre er die gleiche Antwort: „Mein Hund tut doch nichts.“ Vielen Besitzern fehle die Einsicht. Im Brahm selbst hat schon einige Male schwer verletzte Rehe von ihrem Leid erlösen müssen. „Das ist auch für einen Jäger nicht leicht, wenn einen ein Reh mit großen Augen anschaut“, sagt er.