Essen. . Seine Fotografien der Steinkohlezechen machten Josef Stoffels bekannt. Doch nicht nur den Bergbau hat der Lokalpatriot in Essen festgehalten.
Keine Stadt im Ruhrgebiet wurde im 20. Jahrhundert so ausgiebig fotografiert wie Essen. Das hatte eine Reihe von guten Gründen. In Essen gab es für Fotografen mit Abstand die meisten Arbeitgeber, sei es bei Zeitungen, sei es bei Unternehmen. Die Stadt besaß zudem mit der Folkwang-Schule für Gestaltung ein Institut, das sich früh der Fotografie als Kunstform widmete, und auch das fotografie-interessierte Ruhrlandmuseum sowie die Margarethenhöhe als kleine Künstlerkolonie der Moderne trugen zum Fluidum bei.
So verwundert es nicht, dass ein ambitionierter Foto-Autodidakt wie Josef Stoffels immer wieder Essen als Objekt wählte. In der derzeit laufenden grandiosen Fotoausstellung im Ruhr Museum kommen deshalb nicht nur die Freunde von Bergwerksanlagen auf ihre Kosten, sondern auch die Liebhaber von historischen Stadtansichten.
Stoffels Meisterwerk: Mega-Dokumentation über Steinkohlezechen
Neben seiner Mega-Dokumentation über die Steinkohlenzechen des Ruhrgebiets, die er ab Ende der 1950er Jahre über längere Zeit akribisch verfolgte, fotografierte Stoffels mit großer Leidenschaft auch seine Wahlheimat Essen; sie war sein frei gewähltes Bildthema. 1963 erschien ein kleiner Bildband mit 30 Aufnahmen von Stoffels und einem klugen Text von Dieter Thoma, der mehrere Auflagen erlebte, vielfach verschenkt wurde und sich noch heute in zahlreichen Essener Buchregalen findet.
Stoffels feiert darin fotografisch die Modernität einer Stadt, die sich wie nur wenige andere vollkommen runderneuert aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs erhoben hatte und dabei auf Traditionen und Althergebrachtes nicht viel gab. Ernsthaft in Frage stellte dies damals in Essen niemand.
Die Essener Gruga als Lieblingsmotiv
Besonders liebte Stoffels die Gruga, die Mitte der 1960er Jahre anlässlich der Bundesgartenschau ihre Fläche noch einmal verdoppelte. Dabei wurde ein radikal neues Parkkonzept mit großen Freiflächen und Spiel- und Sportangeboten umgesetzt. Stoffels fotografierte in dem damals elegant wirkenden Park fast jeden Halm und jeden Kiesel.
Josef Stoffels war kein gelernter Fotograf, nach vielen Jahren als ehrgeiziger Amateur legte er 1948 seine Meisterprüfung ab, mit sage und schreibe 55 Jahren. Man wird ihn auch nicht als Künstler oder Fotojournalisten bezeichnen können, obwohl seine Bilder in diesem Genre allemal hätten bestehen können.
Hinweise und Service zur Ausstellung
Die Ausstellung Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet ist bis 2. September im Ruhr Museum auf Zollverein zu sehen. Öffnungszeiten: täglich von 10 bis 18 Uhr, auch an Karfreitag und den Ostertagen. Eintritt: 7 Euro, ermäßigt 4 Euro, Kinder und Jugendliche unter 18 frei. 90-minütige Führungen ohne Voranmeldung sind donnerstags und samstags um 11 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen um 13 Uhr, Kosten: 3 Euro pro Person.
Der empfehlenswerte 336 Seiten starke Katalog mit über 400 Abbildungen (darunter alle Bilder dieser Doppelseite) ist bei Klartext erschienen und kostet 29,95 Euro. Weitere Ausstellungsinfos im Netz: www.ruhrmuseum.de
Er war ein Allround- und Industrie-Fotograf, der mit Kleinbild, Mittel- und Großformat gleichermaßen arbeitete. Ausgestattet mit einem guten Blick für gute Lehrer, bei denen er sich Stil und Technik abgucken konnte: Albert Renger-Patzsch, der lange in Essen lebte und arbeitete, August Sander, Karl Blossfeldt – von allen eignete er sich an, was er gebrauchen konnte. Er kolorierte gern nachträglich und manipulierte seine Bilder, um ihre Aussage zu betonen.
Viele Bilder wohl von der Tochter geschossen
Zunehmend war er dabei allerdings auf die Hilfe seiner Tochter Irmgard angewiesen, die schon bei dem Steinkohlezechen-Projekt seine große Stütze gewesen sein muss. Stefanie Grebe, Leiterin der Fotosammlung im Ruhr Museum, vermutet ohnehin, dass weit mehr Aufnahmen von Irmgard Stoffels stammen, als bislang bekannt ist. Nicht nur, weil Stoffels schon früh geh- und sehbehindert war, sondern weil der Fotograf auf manchen Bildern (und Negativen) selbst zu erkennen ist: „Und die“, schmunzelt Grebe, „kann er ja nicht selbst gemacht haben.“
Josef Soffels: Ein Leben voller Wendungen
Josef Stoffels hat eine merkwürdige Biografie mit vielen Brüchen, die zum Teil den historischen Zeitläufen geschuldet sein mag. Sein Vater war aus dem Mittelrheinischen ins boomende Ruhrgebiet eingewandert, der kleine Jupp kam 1893 zur Welt.
Mit 18 kaufte er sich seine erste Kamera, für 39,50 Reichsmark. Er zählte sich zunächst nur zu den „Liebhabern der Photographie“, engagierte sich in der „Photographischen Gesellschaft Essen“, bildete Anfänger aus und notierte stolz seine vielen Auszeichnungen bei Wettbewerben.
Folgenschwere Verletzung aus dem Zweiten Weltkrieg
Als junger Wehrpflichtiger hatte er sich schon vor dem Ersten Weltkrieg im Dienst so verletzt, dass ihm eine kleine Rente zugesprochen wurde. Bei einer Dienstreise nach Frankreich im Zweiten Weltkrieg 1940 erlitt Stoffels in einem Bunker der Maginot-Linie schwere Verletzungen, er verlor sein rechtes Auge und humpelte fortan.
Aber er ließ sich nie unterkriegen, auch wenn er Diener höchst unterschiedlicher Herren war: Im Kaiserreich arbeitete er noch als selbstständiger „Decorateur“, wie Polsterer sich damals nannten; nach dem Ersten Weltkrieg diente er sich dann den französisch-belgischen Besatzungstruppen als Hilfspolizist an, bevor er, nachdem die Nazis an die Macht kamen, in die NSDAP eintrat. Mitte der 1930er Jahre arbeitete er für das Essener NS-Vorzeigeprojekt „Haus der Heimat“; 1937 bekam er eine Festanstellung als Werksfotograf bei Krupp.
Fotograf macht Bilder für die Alliierten
Als dann nach dem Zweiten Weltkrieg in der Villa Hügel die Kohlenkontrollkommission der Alliierten installiert wurde, war Josef Stoffels ihnen zu Diensten und lichtete vom offiziellen Porträt bis zur privaten Party alles ab, was die Vertreter der britischen Militärregierung gerne als Foto haben wollten.
Im Jahr 1952 nahm Stoffels das Werk seines Lebens in Angriff und versuchte, alle 141 aktiven Zechen im Ruhrgebiet von Kamp-Lintfort bis Hamm durchzufotografieren. Dieses Projekt begann er mit der damals noch jungen Buntfotografie, die Firma Agfa stellte dem Pionier Stoffels die Filme zur Verfügung. Als jedoch die Zechenbarone, denen Stoffels sein Projekt andiente, nur dann einwilligen mochten, wenn am Ende ein Schwarz-Weiß-Bildband daraus werden würde, fotografierte er nach zwei Jahren wieder schwarz-weiß. In der Ausstellung finden sich Beispiele aus beiden Schaffensperioden. Stoffels starb 1981.
Ausstellung mit Fotografien von Josef Stoffels